Das foto am späten mittwochabend:
Rauchschwalbe (hirundo rustica)
»Wovon man nicht schweigen kann, darüber muß man reden.
Das ist meine meinung. Aber nicht die Wittgensteins.« (Mechthild Mühlstein)
- willkommen in der schlangengrube - (nachtrag ostern 2021)
Zitat Spiegel-online: »Hätte Gotter in ihrer Mutterſprache leſen und ſchreiben gekonnt, hätte ſie das vielleicht auch auf Deutſch gelernt. Denn es liegt in der Regel nicht allein an der fremden Herkunftsſprache, wenn Menschen ſich mit dem deutſchen Alphabet ſchwertun.«Merken dieſe hirnies bei Spiegel-online nicht, daß ſie ſelbst überhaupt kein Deutſches alphabet, ſondern lateinische schrift verwenden?
»Es tat so weh. Ein messer trennte mir den bauch auf. Ich schrie vor schmerzen, verstarb, verließ die irdische hölle und erwachte wo? Genau. Im sparadies, wo man ›haarvanagila‹ sang. Und das ist nicht an den haaren hairbeigezogen.«
Wiglaf Droste (27. juni 1961 – 15. mai 2019)
Zitat Thembi Wolf: »"Es sind nüchterne Bilder, die nicht beschönigen, den Protagonisten aber auch nicht die Würde nehmen", schreibt die "Süddeutsche Zeitung" dazu. Der Artikel heißt: "Armut an den Wänden, Sekt in den Gläsern". Ich verschlucke mich fast. Was soll das heißen – trinken arme Menschen keinen Sekt?«Was heißt trinken? Arme menschen baden allmorgentlich in schampus, weshalb abends dann immer das geld nicht mehr reicht für bier und schnittchen. Das mit der »würde« ist tatsächlich ein seltsames konstrukt, das aber rein gar nichts damit zu tun hat, ob man sekt trinkt oder nicht, sondern wie man in der öffentlichkeit dargestellt und wahrgenommen wird.
Zitat Thembi Wolf: »Zuerst einmal ist Armut nichts Diffuses. Armut bedeutet, dass das Geld nicht reicht.«Blödsinn. Ist der sehr-gut-verdiener, der etliche fernreisen im jahr macht, schnieke kleidung trägt, ein dickes auto fährt, seine kohle verpraßt und chronisch pleite ist, weil er auf zu großem fuß lebt, vielleicht arm? Ist der h4empfänger der mit seinem geld einigermaßen über die runden kommt, weil er seine bedürfnisse seinen einkomensverhältnissen angepaßt hat und ein äußerst bescheidenes leben führt deshalb reich, weil er mit seiner knete über den monat kommt?
Zitat Thembi Wolf: »Niemand saß regelmäßig von 9 bis 5 Uhr in einem Büro.«Warum nur? Womöglich, weil das in Deutschland eine eher unübliche arbeitszeit ist? Hierzulande wird man oft genötigt, bereits um 7 uhr anzufangen und von regelmäßigkeit können viele nur träumen - flexibilität ist gefragt. Außerdem gibt es tatsächlich auch berufe, die nicht im büro ausgeübt werden.
Zitat Thembi Wolf: »Dass auch meine Welt existiert, bestätigte mir nicht das Nachmittagsprogramm auf Vox, sondern das auf RTL2.«Amerikanische serien geben nicht vor, die lebensverhältnisse in Deutschland abzubilden. Außerdem ist es eine komische vorstellung, sich die existenz der eigenen lebenswelt durch das schrottprogramm im Deutschen privatfernsehen bestätigen lassen zu müssen.
Zitat Thembi Wolf: »Die TV-Formate heißen heute anders – "Hartz" ist in vielen Titeln – das Prinzip ist geblieben. In "Armes Deutschland" werden pro Folge drei oder vier Deutsche begleitet, die nicht viel Geld haben.«Bei »Armes Deutschland« werden eben gerade nicht drei oder vier Deutsche mit wenig geld begleitet. Hier wird armut dargestellt, wie sie in den köpfen irgedwelcher drehbuchschreiber windiger produktionsfirmen existiert. Es soll so aussehen, als seien die charaktere alle echt und ihre geschichten quasi vom leben selbst erzählt. Tatsächlich ist alles frei erfunden.
Zitat Thembi Wolf: »Sie sind nicht die am Leben scheiternden Schluffis aus den Öffentlich-rechtlichen: schüchtern, grundsympathisch und immer ein bisschen langsam im Kopf. Bemitleidenswert und maximal unschuldig.Wer soll dieses ominöse »wir« sein, das die stilmittel verleugnet? Es ist doch durchsichtig: die »dramaturgie« ist stets die selbe: es wird der faule h4mensch gezeigt, sich daneben benimmt und kein bock auf arbeit hat. Als gegenpart kommt der workingpoor hinzu, der mindestens 35 stunden pro tag arbeitet, sich den ganzen arsch aufreißt, um seine familie zu ernähren. Für den preis, daß er seine kinder leider vernachläßigen muß, obwohl er so gern mehr zeit mehr für sie hätte.
Wir sprechen dem Hartz-IV-TV ab, dass es mit Stilmitteln arbeitet. Mit denselben, wie jede Netflixserie: Übertreibung, überzeichneten und fehlbaren Charakteren und einer Dramaturgie. Und wir sprechen denen, die zuschauen, ab, dass sie das wissen.«
Zitat Thembi Wolf: »Aber auch die Annahme, alle Darstellerinnen müssten Opfer eines ausbeuterischen Systems sein, ist ein Stigma.«Der begriff »armutsporno« des Britischen »Guardian« trifft die angelegenheit ziemlich gut.
Zitat Thembi Wolf: »Selbst in der Geschichte vom "Ich nehme lieber Hartz IV"-Christian und der rauchenden, schwangeren Natalie steckt diese Nuance. Was schuldet Christian der Gesellschaft? Ist es okay, nicht zu arbeiten? Ist es okay, Arbeit abzulehnen, weil er sich mehr wert ist als den 500-Euro-Job seines besten Kumpels?Wie sich Christian und Nathalie im richtigen leben verhalten, wird das publikum nicht erfahren. Sie sind, wie schon gesagt, figuren in einer »scripted-reality-show«, die vor der kamera sagen, was sie sollen. Und es geht nicht darum, mal drüber nachzudenken, daß es schon in ordnung ginge, schlecht bezahlt arbeit nicht anzunehmen. Weiter oben wird scheinheilig gefragt:
Und da ist der Umgang mit dem Stigma der Armut. Studien sagen, Armut führt zu schlechterer Gesundheitsvorsorge. Zu wissen, was gesund ist, ist eine Frage der Bildung. Darf Natalie in der Schwangerschaft rauchen? Wer mal mit Kippe und Kinderwagen unterwegs war, kennt die urteilenden Blicke. Aber solche gesellschaftliche Ächtung prallt an Natalie vielleicht ab.«
Zitat Thembi Wolf: »Er will nicht arbeiten, selbst Schuld an der Armut. Schürt das nicht Vorurteile gegen Arbeitslose? Stigmatisiert sie?«Was denn sonst?
Zitat Thembi Wolf: »Wir verkennen, dass die Hartz-IV-TV-Sendungen hochpolitisch sind.«Und da ist es schon wieder, dieses »wir« in das man ungefragt eingemeindet wird, auch wenn man es völlig anders sieht.
Zitat Thembi Wolf: »Der Wunsch nach "würdevollen" Bildern von Armut war für mich deshalb immer verlogen. Denn es ist nicht das Bedürfnis der Betroffenen – sondern derer, die von außen auf sie blicken und sich ihrer Vorteile und Vorurteile schämen.«Ja, natürlich ist es verlogen, »würdevolle« bilder von armut zu wünschen. Daß das etwas mit vor- oder vorurteilen oder scham zu tun hätte, ist jedoch auch wieder ein vorurteil. Vielleicht wäre es auch möglich und wesentlich vernünftiger, die abschaffung von armut zu verlangen, statt ihre würdelose darstellung zu bejubeln.
Zitat Thembi Wolf: »Das weiß ich, seit ich klein war und unter Menschen lebte, die meinen 2,90-Latte für die ultimative Dekadenz halten würden.«Schlechte grammatik. Die 2,90 latte ist in diesem fall offensichtlich kein kaffehaltiges milchschaumgetränk im hochglas, sondern eher ein brett, das an bestimmter stelle sitzt.