Mittwoch, 10. Februar 2010

Weshalb es in Deutschland nie Mindestlohn geben wird und was bei der Studie des KBI »übersehen« wurde

Würde ein arbeitgeber einem geringverdiener einen mindestlohn von 7€50 - das war der lohn, den die gewerkschaften in den letzten jahren forderten - zahlen, entstünde bei vollzeitarbeit folgende rechnung:

Berechnungsjahr: 2010
Grundlohn/Bruttolohn steuerpflichtig:1.320,00 €
(darin enthaltene Sachbezüge/andere geldwerte Vorteile: 0,00 €)
Grundlohn/Bruttolohn steuerfrei: 0,00 €
Gesamtbrutto (steuerpflichtig + steuerfrei):1.320,00 €

Ergebnisse Arbeitnehmer:
Lohnsteuer gemäß Steuerklasse (I): 65,08 €
Solidaritätszuschlag (5,5%):0,00 €
Krankenversicherung (7,90%): 104,28 €
Pflegeversicherung (1,225%):16,17 €
Rentenversicherung (9,95%):131,34 €
Arbeitslosenversicherung (1,40%):18,48 €
Nettolohn/Gehalt: 984,65 €

Ergebnisse Arbeitgeber:
Krankenversicherung (7,00%):92,40 €
Pflegeversicherung (0,975%):12,87 €
Rentenversicherung (9,95%):131,34 €
Arbeitslosenversicherung (1,40%):18,48 €
Arbeitgeberbelastung:1.575,09
Da denkt sich der herr Schlecker (oder Roßmann oder sonstwer): »ich zahl nur 5,50 €, bleibt mehr für mich über«. Es folgt eine rechnung für eine vollzeitstelle, die den einen oder anderen vielleicht erstaunen wird:
Berechnungsjahr: 2010
Grundlohn/Bruttolohn steuerpflichtig:968,00 €
(darin enthaltene Sachbezüge/andere geldwerte Vorteile: 0,00 €)
Grundlohn/Bruttolohn steuerfrei: 0,00 €
Gesamtbrutto (steuerpflichtig + steuerfrei):968,00 €
Ergebnisse Arbeitnehmer:
Lohnsteuer gemäß Steuerklasse (I): 9,75 €
Solidaritätszuschlag (5,5%): 0,00 €
Krankenversicherung (7,90%): 76,47 €
Pflegeversicherung (1,225%): 11,86 €
Rentenversicherung (9,95%): 96,32 €
Arbeitslosenversicherung (1,40%): 13,55 €
Nettolohn/Gehalt: 760,05 €

Ergebnisse Arbeitgeber:
Krankenversicherung (7,00%): 67,76 €
Pflegeversicherung (0,975%): 9,44 €
Rentenversicherung (9,95%): 96,32 €
Arbeitslosenversicherung (1,40%): 13,55 €
Arbeitgeberbelastung: 1.155,07
Das war jetzt noch nicht der witz. Daß der arbeitgeber 420,02 € spart, wird für jeden ersichtlich sein. Weil man mit 760,05 nettolohn aber nicht so wirklich über die runden kommen kann, beantragt der schlechter bezahlte kollege h4. Das errechnet sich wie folgt, da h4 sich nach dem bedarf richtet, kommt es auf die höhe der kosten für heizung und unterkunft an:
Regelleistungen:359,00€
Kosten für Unterkunft und Heizung:360,00€
Bedarf:719,00€
zu berücksichtigendes Einkommen:−503,25€
Arbeitslosengeld-II (gerundet):216,00€

Der schlechter bezahlte arbeitnehmer kommt also mit seinen 5,50 € pro stunde auf einen nettolohn von 976,05 € - also nur 8,60 € weniger als der 2,00 € pro stunde mehr verdienende kollege - und sogar 8,05 € mehr netto als brutto.

Mit Peter Hartz zum einheitslohn, wer hätte das gedacht? Selbst Kuba hat den inzwischen abgeschafft. Beinahe noch erstaunlicher erscheint es, daß die »helden der gerechten steuerumverteilung«  in ihrer studie (ich berichtete darüber) nicht bemerkt haben, daß dieser irrsinn im vergangenen jahr (janur bis september) 8,1 milliarden  an steuergeldern verschlungen hat, obgleich sie, ich zitiere wörtlich: »für einen schlanken und sparsamen staat« sind und jedem steuercent hinterher rechnen.

Wenn wir, die steuerzahler, für die arbeitnehmer privater unternehmen zahlen sollen, dann werden wir demnächst auch bei Aldi an der kasse von freundlichen beamten bedient. Zum einheitslohn, versteht sich. Wäre auch schlimm steuergeld für schulen, infrastruktur, kultur oder gar arbeitslose auszugeben, dann geben wir es doch lieber denen, die es am nötigsten haben: unseren leistungssträgern. Und wenn wir ihnen schon das Geld geschenkt haben, werden wir wohl auch erwarten können, arbeiten zu dürfen.

Es gibt keinen grund es was an diesem umverteilungsmodel zu ändern. Es läuft - wie geschmiert.

Montag, 8. Februar 2010

Wilde affenscheiße

Manchmal bekomme ich den eindruck, die bürgerlichen medien würden irgendwo in einem fernen paralleldeutschland geschrieben und gedruckt. Am vergangenen samstag berichtete die FAZ über berechnungen des Karl-Bräuer-Instituts. Daß sich für viele beschäftigte die arbeit nicht lohne, weil die h4-regelsätze so gigantisch hoch seien.

Es ist zwar klar, daß wer beim KBI einen bürositz wärmen darf, ein interesse daran hat »steuerzahlerinteressen« zu vertreten (hinweis: die interessen der menschen, die in erster linie mehrwertsteuer oder lohnsteuer zahlen, sind damit selbstvertändlich nicht gemeint, unter den steuern leiden schließlich am meisten unsere, armen geplagten »leistungsträger« die andere für sich arbeiten lassen) - jedoch sollte man von einem institut das immerhin als »gemeinnützig« gilt und gefördert wird, sachlich korrekte angaben erwarten können.

Ich glaube nicht, daß die herren vom KBI nicht begriffen haben, daß h4 mit der möglichkeit, niedriglohn über das alg2 aufzustocken eine form von kombilohnmodel ist, in welchem ein armer der arbeitet durch subvention des armutslohns immer etwas mehr hat als ein armer, der keine stelle findet. Somit bin ich gezwungen zu unterstellen, daß es hier um die absicht geht, den weg ein stück weiter zu ebnen, sich weiter von unserem grundgesetz zu entfernen, welches sozialstaatlichkeit vorschreibt und zwangsarbeit verbietet. Es ist interessant, daß nun die »experten« vom KBI im auftrag einer seriösen(?) bürgerlichen zeitung rechnen, aber zu unglaubwürdigen ergebnissen kommen.

Lesebeispiel (zum besseren verständnis ist es sinnvoll die verlinkte tabelle anzuschauen):

Hier wird behauptet, daß ein geringverdienender familienvater mit nicht arbeitender frau und zwei kindern bei einem bruttoverdienst von 1262 € im monat schlechter dastünde, als wenn er nicht arbeiten würde.

Ich habe den h4 rechner bemüht und folgendes herausgefunden:
Personen-Haushalt, 2 Kinder (eines 14 eines 10)
Regelleistungen: 1.184,00€
Kosten für Unterkunft und Heizung: 466,00€
Bedarf: 1.650,00€
zu berücksichtigendes Einkommen: −1.088,80€
Arbeitslosengeld-II und Sozialgeld (gerundet): 561,00€

Bitte beachten Sie, dass die Voraussetzungen für den Erhalt von Arbeitslosengeld-II auch die Bedürftigkeit des Antragstellers umfasst! Ein Kinderzuschlag würde Ihren Bedarf leider nicht decken.

Dreist wird in diesem beispiel behauptet, die 368 € kindergeld würden die aufstockung des niedriglohns kürzen. Das ist eine lüge! Der niedriglohnarbeitende mann mit familie hat 368 € mehr als wenn er nicht arbeiten würde. Im vergangenen jahr sprach ich mit unterschiedlichen niedriglöhnern, die mir erzählten, daß sich die arbeit deshalb lohne, weil das sie das kindergeld behalten dürften.

Es ist natürlich sehr wahrscheinlich, daß die gelogen haben (hab mir deren kontoauszüge nicht zeigen lassen) - die wollten in der heutigen situation, in der die faulheit in allen bereichen des lebens angepriesen wird, vermutlich nicht zugeben, daß sie arbeitssüchtig sind und es ihnen egal ist, ob sie vom verdienten ihre familie ernähren können.

Desweiteren kann man in diesem FAZ artikel so hübsche wie sinnfreie sätze lesen wie:

Derzeit erhält ein ungelernter Geringverdiener in Deutschland einen monatlichen Bruttolohn in Höhe von 1823 Euro.

Welcher denn? Da sind doch mehre! Hinzufügen möchte ich, daß als »ungelernte« auch solche gelten, die einen guten bildungsabschluß haben, aber keine reguläre arbeit finden.

Werter herr Astheimer!

Ein bruttolohn von 1823 € bedeutet bei 40stundenbeschäftigung einen lohn von 10€35 pro stunde. Ist ihnen schon mal aufgefallen, daß hierzulande ein mindestlohn von 7€50 als unzumutbar gilt?
Und zwar nicht für diejenigen, die für weniger als das täglich malochen gehen, sondern für die armen schweine, die den geldgierigen arbeitern lohn zahlen müssen?!

Journalisten, die wie Sven Astheimer nicht in der lage sind, selbst zu recherchieren, und nur tasten drücken können, sind gesellschaftlich überflüssig. Der gesellschaftliche schaden wäre geringer, wenn solche menschen der arbeit fern blieben. Wie herr Astheimer darauf kommt, daß alleinstehende h4empfänger ohne arbeit ausgerechnet 637 € erhielten, hat vermutlich irgendwo im kaffeesatz gestanden (ach ja, das hatten die herren von der KBI »errechnet« - wie auch immer) - kann man in Frankfurt/Main für 278 € warm eine einraumwohnung mieten?

Astheimer - leben Sie im astloch oder in einem leerstehenden bunker?

Bei so viel affenscheiße auf einmal kann man als FAZleser froh sein, daß gleich auch papier zum arschwisch frei haus in ausreichendem umfang vorhanden ist. Man knülle das papier!


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Der vollständigkeit halber möchte ich auf das blog von Klaus Baum aufmerksam machen über welches ich dieses machwerk der volksverblödung fand.