Dienstag, 28. Juli 2015

Spargelzeit

Oder: der irrsinn des marktes. Drei beispiele.

In Berlin bekommt man Spargel aus Peru, Mexiko, China, Thailand, Griechenland, Ungarn, Polen, Italien, Spanien und natürlich aus Deutschland und vom Deutschen nicht nur den Brandenburger aus Beelitz, dem Spreewald, Kremmen und was es hier in der gegend noch gibt, sondern auch welchen aus Franken oder Schwaben und in Süddeutschland findet man dann auch z.b. Beelitzer, aber eben nicht, weil die dort nicht selbst genug hätten, sie verkaufen schließlich auch welchen nach Berlin. Die gleiche ware wird von süd nach nord und von nord nach süd oder von ost nach west und von west nach ost gebracht, weil es leider nicht um die gute idee geht, die menschheit mit edelgemüse zu versorgen, sondern um die absetzbarkeit von ware.

Aber die spargelzeit ist für dies jahr längst vorbei, die saison für frisches gemüse aller art hat begonnen. Und wo kommen die frischen zuckerschoten, tomaten, zwiebeln, bohnen etc. immer öfter her? Aus Äthiopien, Senegal, Kenia, Simbabwe und anderen Afrikanischen ländern, in denen durchaus gehungert wird. Nur gegen den hunger werden auch dort all diese leckeren sachen nicht angebaut. Sondern für den markt. Und wenn viele Afrikaner kein geld haben, die im lande erzeugten feldfrüchte zu kaufen, dann landen deren eßwaren auf Europäischen tellern, denn produziert wurden sie nicht, um hunger zu stillen, sondern um geld zu verdienen. Und egal, wie man sich zu der angelegenheit verhält, man macht es so oder so falsch: kauft man das zeug, hat man fast das gefühl, daß man hungerleidern die nahrung wegfrißt, nur für die ist das gemüse ohnehin nicht gedacht. Kauft man das zeug nicht, verlieren die leute, die dort an der produktion beteiligt sind, ihre lebensgrundlage und dann werden auch die zu hungerleidern. Das gemüse gelangt nicht zu denen, die es benötigen würde, weil es leider nicht als essen gegen hunger produziert wurde, sondern als ware für einen markt, von dem die armen leute, die nicht bezahlen können, ausgeschlossen sind.

In der FAZ habe ich neulich gelesen, daß in den vergangenen drei jahren 2300 tonnen fisch aus Brandenburgs gewässern vernichtet wurden, weil der fisch nicht vermarktbar wäre und die verarbeitung sich nicht lohne. Es handelt sich dabei unter anderem um silber- und marmorkarpfen. Die sollen geräuchert durchaus wohlschmeckend sein, habe ich aber beide noch nie probiert, weil man die im laden nicht bekommt. Und wenn es doch irgendwo in Berlin einen laden geben sollte, wo es die gibt, kommen sie vermutlich als exotische delikatesse aus China oder so. Es ist möglich, fisch aus allen weltmeeren und allen teilen der welt hier her zu transportieren. Den fisch, den es hier vor ort offenbar reichlich gibt, einfach zu essen, ist ein ding der unmöglichkeit. Der kommt gar nicht erst auf den markt. Den gibt es offenbar in rauen mengen, die leute kennen den aber eher nicht, somit könnte man ihn höchstens sehr billig vermarkten, womit womöglich lukrativere geschäfte gestört würden.

Der markt ist nicht für die versorgung der menschheit gedacht, sondern allein für das geldverdienen. Und von wegen effizienz, die sich im kapitalismus in allen dingen ganz von allein einstelle. Dabei wird gern die frage vergessen, wofür das effizient sein eigentlich dient: für das geschäft. Und weil dem alles untergeordnet ist, werden dafür massenhaft ressourcen vergeudet.

8 Kommentare:

  1. Siehe auch schon:
    Collins, Joseph / Lappé, Francis Moore: Vom Mythos des Hungers. Die Entlarvung einer Legende: Niemand muss hungern. Fischer, Frankfurt a.M. 1981 fischer alternativ. 2. Auflage, 478 Seiten, Taschenbuch, [Bestell-Nr.: 19584]

    Erstauflage Ende der 1970er

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    1. Ich stimme in soweit zu, daß tatsächlich niemand hungern müßte, derzeit wäre es möglich, 12 mrd. menschen mit essen zu versorgen.

      Aber wenn frau Lappé dinge äußert wie »wenn einige nicht zu essen haben, sind sie offensichtlich jeder Macht beraubt worden. Die Existenz von Hunger straft die Existenz der Demokratie Lügen.« muß ich mich schon wundern.

      Eine demokratie ist doch nicht dafür gedacht, menschen mit nahrung zu versorgen, sondern um die herrschaft zu legitimieren, die genau diese gewaltverhältnisse in die welt setzt, in denen jedes reiskorn und jede bohne einen besitzer hat.

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    2. Ich vermute, Demokratie wird in verschiedenen Köpfen mit verschiedenen Zielen/Zwecken gedacht. Lappé, das möchte ich ihr unterstellen, hat eine Idealvorstellung von Demokratie im Kopf gehabt, nicht unbedingt irgendwo real existierende. Das hatte ich vor ca. 40 Jahren schließlich auch.

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    3. Na klar hat frau Lappé sicherlich idealvorstellungen von der demokratie, die hatten vermutlich die meisten irgendwann einmal. Sie befaßt sich seit menschengedenken mit dem welthunger und da könnte sie aus ihrer lebenserfahrung heraus festgestellt haben, daß das mit der ernährung selbst in den demokratisierten, reichen idustrienationen nicht unbedingt immer gut funktioniert.

      Das recht auf nahrung, kleidung und wohnung steht seit 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Ich kann mich nicht erinnern, daß das papier auf dem das gedruckt steht je ungeduldig geworden wäre. Einklagen kann man das nicht, wenn man in diesen grundbedürfnissen geschädigt wird.

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  2. Ich turne auf youtube gerade bei den Libertären rum: Charles Krüger, Oliver Janich, Sonst of Libertas und freiwillig frei.
    Die härtesten der harten Verleugner jeder Realität.

    Der Trick ist, immer zu behaupten, der Staat ist an allem Schuld und wegen des Staates haben wir gar keine Marktwirtschaft, sondern Korporatismus. In einer wirklichen Marktwirtschaft wäre der von dir beschriebene Zustand gar nicht möglich.
    Der Markt reguliert sich nämlich selbst, zu aller Menschen Vorteil und bestem Ergebnis.

    Also die Nahrungsmittelversorgung wäre für alle gesichert und lokal und vernünftig, wenn der Kunde das will. Es richtet sich schließlich alles nach dem Kunden, der mit seinem Geld mitteilt, was er will und dann macht der Unternehmer das. Wieso der Kunde immer nur expost seeni Wünsche mit Geld mitteilt und nicht einfach vor Produktionsbeginn verbal oder durch unsere technischen Mittel den Unternehmern mitteilt, was es denn sein darf, ist nicht zu ergründen.
    Viel wichtiger ist ständige Ressorucenverschwendung (an Mensch und Material), wenn erstmal alle am Markt probieren was denn gebraucht wird.

    Wer also hungert, oder zwecks mangelnden Geldes immer nur Scheiß kaufen muss, dem wird das wohl nicht so wichtig sein. Der Obdachlose wird eien feste geheizte Wohnung im Winter wohl nicht für sonderlich wichtig halten für seinen Lebensstil. In Afrika ist man so frei, dass man sogar hugnert, an statt den Arsch hochzukriegen und den Acker zu bestellen.
    Die Arbeiter, die wenig verdienen werden sich das wohl ausgesucht haben, schließlich könnten sie doch auch einfach einen besser bezahlten Job machen, oder?

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    1. Den Krüger kannte ich bisher noch nicht. Der ist lustig, der hält sich für eine »person des öffentlichen lebens«, weil er im eigenverlag ein buch geschrieben hat aber, hey, der ist ja sogar bei youtube. Und immerhin hat er »die größte täuschung der menschheitsgeschichte« entdeckt.

      Das selbstverständlich nicht ohne superlativ, klingt vielversprechend und nach dem »blick ins buch« bei amazon weiß ich, daß ich mich nicht getäuscht habe. Herr Krüger hat nämlich herausgefunden, daß ich nicht frei bin. Das hätte ich ohne die grenzenlose weisheit des herrn Krüger vermutlich niemals erfahren. Allerdings halte ich freiheit an sich ohnehin nicht für einen grundsätzlich brauchbaren wert. Aber das wäre ein anderes thema.

      Diese libatären figuren glauben, der markt sei so etwas wie der »bedarfsermittler«. Daß ein bedarf kaufkraftgedeckt sein muß, ist für die so selbstverständlich wie erdbeertorte im frühsommer: wer nicht zahlen kann bekommt kein stück. Die behaupten, zahlungsfähigkeit sei ein resultat der eigenen tüchtigkeit, denn so etwas wie ausbeutung gibt es für die nicht. Wer unter miesen umständen arbeitet, hat es sich so ausgesucht oder ist eben nicht leistungsfähig und muß deshalb drecksarbeit machen. Daß allerdings gerade die drecksarbeit besonders hohe leistungsfähigkeit auf bestimmtem gebiet vorraussetzt, klammern die freundlicher weise aus.

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    2. Peter Decker vom GegenStandpunkt sagt hier meines Erachtens sehr viel richtiges zur Freiheit und was diese bedeutet.
      https://youtu.be/P3JwsgBTnmg?t=11m29s

      Was mir bei den Libertären komisch vorkommt, ist dass es nach "der Staat beraubt uns und unterdrückt uns" nicht weitergeht. Wieso macht er das?
      Was ist seine Absicht Steuern einzutreiben? Das ist ja offensichtlich nicht mehr ausschließlich Gelage zu organisieren und Kriege zu führen. Also nicht das, was man sich in der Feudalherrschaft vorstellt.

      Unter einem Video stand ein treffender Kommentar, dass nämlich dieses libertäre, die österreichische Schule mit Hayek und Mises ein Kapitalismusrettungsversuch ist. So wie man die subjektive Wertlehre Marx entgegenstellen musste, um die "Ausbeutung" nicht gelten zu lassen.
      Erstmal wichtig, wir haben keinen Markt, daran ist der Staat schuld. Zweitens dieses komische Selbsteigentum an mir und meinen Produkten. Das ist dummerweise mit der Lohnarbeit schon ad absurdum geführt, deswegen braucht es für den Kapitalismus/die Marktwirtschaft noch eine Komponente, die diese Widerspruch aufheben soll und das ist die Vertragsfreiheit.
      Wenn man sich in Lohnarbeit einen Großteil der Früchte seiner Arbeit wegnehmen lässt/gar nicht erst bekommt, hat man das bestimmt freiwillig gemacht, man hat schließlich seinen Arbeitsvertag unterschrieben.
      Schon ist alles supi.
      Wie frei wir doch sind!
      Arbeitslosigkeit gibts da auch nicht, die eventuell die Freiwilligkeit, mit der man da Verträge eingeht ein wenig aufhebt. Alles ist einfach nur dufte.

      Der Unternehmer hat freilich den Profit immer verdient, schließlich hat er ja das ganze Risiko!

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    3. Ausbeutung? Wo denkst Du hin? Hier doch nicht! Hier wollen ja ganz viele leute her, die ihr leben dafür riskieren, nur um die »ausbeutung« hier genießen zu dürfen, weil das ja eine wohltat ist.

      Warum der staat die leute unterdrückt? Weil er dreckig, feige und gemein ist und die rechtschaffenden ein undefiniertes bedürfnis hat, menschen zu quälen, steht doch alles bei Ayn Rand. Wahrscheinlich haben sich die wenigsten libertären wirklich durch diesen abstrusen text gewühlt, aber ich könnte nicht behaupten, daß sie ihr an substanzlosigkeit etwas nachstehen würden. Nee, ich kann es nicht empfehlen, das zu lesen, weil es hauptsächlich leere empörung enthält.

      Freiwilligkeit? Soll doch jeder selbst beantworten, was er an einem mittwochmorgen im sommer lieber täte: a) ins büro (auf arbeit, was auch immer) gehen. b) mit den freunden schlauchboot fahren am see.

      Ich käme natürlich nie im leben auf die idee, in ein schlauchboot zu steigen.

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