Im blog »keimform« gab es ende juli einige artikel zum thema
geldfreie produktion von
Christian Siefkes. Das thema interessiert mich. Leider gehen die texte ziemlich am thema vorbei, hauptsächlich gießt es gedankenbrei. Als beispiel wird u.a. die
Kommune Niederkaufungen genannt, über diese art zu wirtschaften heißt es dann:
Zitat Siefkes: »Kleinere Gruppen können gerade deshalb auf feste Preise und andere Mechanismen zur Kopplung von individuellen Beiträgen (Kosten) und Nutzungen verzichten, weil sie überschaubar genug sind, um alle notwendigen Entscheidungen in direkter Kommunikation zu vereinbaren.«
Preise, kosten, nutzen? Woher kommt eigentlich der gedanke, daß beim
geldfreien produzieren noch über
preise nachgedacht werden muß? Genau das soll doch beim wirtschaften ohne geld
abgeschaft werden.
Tatsache ist, daß, um bei dem beispiel zu bleiben, die Kommune Niederkaufungen nicht irgendwo im luftleeren raum existiert, sondern in einem kaff in Nordhessen. Die siedelten sich nicht einfach so auf einer freien scholle an, sondern haben ein gehöft mit etwas land drumrum nach bürgerlichem recht für teuer geld käuflich erworben, auf dem sie im rahmen der geltenden gesetze machen können, was sie möchten. In der
Süddeutschen wurde das mal als »kloster ohne gott« bezeichnet. Das ist nicht völlig von der hand zu weisen: die menschen, die dort leben möchten, bringen ihr vermögen, ihre einkünfte und eventuelle erbschaften in die gemeinschaft ein. Das kommt dann in die gemeinschaftliche kasse, aus der sich jeder kommunarde nach bedarf kleinere beträge entnehmen kann, über größere ausgaben muß in der gruppe diskutiert und entschieden werden.
Geldfrei ist daran schlechterdings gar nichts. Auch die kommunarden müssen mit ihren erzeugnissen und dienstleistungen an den kapitalistischen markt herantreten und sie in der dort üblichen konkurrenz verkaufen, weil sie für die welt außerhalb ihrer kommune genau wie alle anderen geld benötigen. Ein individueller ausstieg aus der geldbasierten wirtschaft ist unmöglich - und komme mir bitte niemand mit den paar lebenskünstlern, die mit containern und der hilfsbereitschaft gutwilliger menschen überleben.
Es ist ein irrtum, subsistenzwirtschaft für einen weg aus der geldbasierten wirtschaft zu halten. Von der art des wirtschaftens her kann man das mit dem der urgroßmütter im 19. jahrhundert auf dem lande vergleichen. Die lebten in großfamilien in der dorfgemeinschaft und brauchten im alltäglichen leben fast kein geld. Die lebensnotwendigen dinge stellten sie selbst her und in der dorfgemeinschaft halfen die menschen einander normalerweise ohne geld und warentausch. Aber trotzdem mußten sie zusehen, etwas mehr zu produzieren als sie selbst brauchten und zu verkaufen, denn schließlich brauchten sie auch dinge, die sie im dorf nicht selbst herstellen konnten.
Viele menschen können sich eine wirtschaft ohne geld schlecht oder gar nicht vorstellen. Eben auch, weil sie als erstes an derartige kommunen oder die kibbuzim in Israel denken und ihr leben nicht in einer solchen gemeinschaft mit hoher sozialer kontrolle verbringen möchten. Ein »ausstieg« aus der industriegesellschaft mag für einige menschen attraktiv erscheinen für die mehrheit trifft das eher nicht zu. Und selbst wenn sie das wollten, würde es daran scheitern, daß ihnen das geld fehlt, sich ein stück land unter den nagel zu reißen. Und überhaupt macht es erst technischer fortschritt und industrielle produktion möglich, daß einstige luxusartikel für viele leute hergestellt werden können.
Das darf natürlich nicht damit verwechselt werden, daß in der kapitalistischen wirtschaft keineswegs die versorgung der menschen mit nützlichen gütern, sondern ausschließlich der gewinn im mittelpunkt steht und die versorgung eigentlich nur das abfallprodukt der gewinnrechnung ist und somit auch nur für die stattfindet, die geld haben und kaufen können.
Um eine tatsächlich geldfreie wirtschaft aufzubauen, müßte man die produktionsmittel vergesellschaften, damit alle daran teilhaben können und die produktion von der ausrichtung auf gewinne für wenige auf die versorgung aller umgestellt werden kann. Damit diese elende warentauscherei, durch die die armen immer von den annehmlichkeiten des lebens ausgeschlossen sind, aufhört.
Das wäre aber etwas völlig anderes als mitten im kapitalismus ohne geld sein dasein fristen zu wollen.