Maybritt Illner:» [...] Herr Bartsch, auch wenn Sie das jetzt mit abscheu und empörung von sich werfen, es gibt diese inhaltlichen schnittmengen der wähler beider parteien. Und sie treffen sich eben auch in der ablehnung des politischen establishments, sie treffen sich in der eurokritik, sie treffen sich wahrscheinlich auch in der ablehnung der Rußlandsanktionen, die von der AfD auch kommen, wie erklären Sie sich, daß es ihre wähler offensichtlich doch in richtung AfD zieht und Ihnen von dieser partei auch boden abgegraben wird... wasser abgegraben wird, meine güte? [...] «
Dietmar Bartsch:» Ich möchte noch mal festhalten, daß wir in Thüringen 28,2 % haben und logischer weise, wenn man da etwas verliert ist das mehr, als wenn man 6 % hat, wie die GRÜNEN und da etwas verliert, da kann man gar nicht auf die zahlen kommen. Zweitens, ist völlig richtig, natürlich gibt es eine protestwählerschaft, die gerade, das haben wir in Brandenburg auch zur kenntnis nehmen müssen, die wir nicht mehr erreichen wenn wir gerade in regierungsverantwortung sind, da müssen wir drüber nachdenken. In wieweit wir dieses schaffen können, das wir auch adresse von protest bleiben, das ist ’ne aufgabe. Das haben wir in meinem heimatland Mecklemburg-Vorpommern, in Berlin aber auch in Brandenburg erleben müssen. Dieser protest der geht teilweise richtung AfD. Inhaltlich sind das diametral gegenüberstehende parteien, das wird herr Lucke sicherlich auch bestätigen. Daß wir da in mancher kritik, daß die da auch fürs nachtflugverbot sind, okay, da kann ich mich ja nicht gegen wehren, das kann schon sein. Aber in den zentralen fragen, insbesondere was das thema soziale gerechtigkeit betrifft, da muß man sich durchlesen, was die AfD will, das hat mit uns aber auch gar nichts zu tun. «In Berlin beispielsweise war es nicht nur die protestwählerschaft, die sich überlegt hat, die LINKE nicht mehr zu benötigen. Das waren auch überzeugte linke, die sich überlegt haben, daß die LINKE ohnehin jede sauerei, von der abschaffung der lehrmittelfreiheit bis hin zur privatisierung des kommunalen wohnungsbaus, mitmacht. Und um das zu bekommen, muß man nicht wählen gehen. Das kann man auch so haben.
Ein nachtflugverbot hat nun wirklich nichts mit linkem oder rechtem denken zu tun, das ist hauptsächlich für die interessant, die unter dem fluglärm zu leiden haben. Und daß die eher wirtschaftsfreundliche AfD das durchsetzen würde, scheint eher unwahrscheinlich.
Yasmin Fahimi:» [...] Wir müssen sie [die AfD] natürlich politisch bekämpfen und ich respektiere schon den wunsch der wählerinnen und wähler darauf, daß die politik klare antwoten geben muß zu den fragen, wie kann ich gut, sicher und bezahlbar wohnen, wie kann sicher gestellt werden, daß meine kinder sicher zur schule kommen, daß sie ohne gefahren auf den spielplatz gehen können, das sind fragen, die ganz normal und selbstverständlich sind. Und vielleicht ist es in der tat so, daß wir auch diese themen klarer benennen müssen, daß wir sie annehmen, was wir tun [...]. Das hat aber nichts damit zu tun, daß die gefahr da ist, daß wenn wir mit der LINKSpartei koalieren, diese ihre wähler beim nächsten mal zur AfD verlieren, das glaube ich nicht. [...] «
Maybritt Illner:» Herr Schulz, was wäre eigentlich schlimmer, ein ministerpräsident von der LINKEN oder ein ministerpräsident von der AfD? «
Werner Schulz:» Das ist die wahl zwischen pest und cholera, wie man so schön sagt. Nein, die AfD kommt nicht in frage. [...] Die AfD hat ein stück weit auf diesen populismus aufgebaut, den die PDS, also die frühere PDS verbreitet hat. Daß man den Ostdeutschen das gefühl mitgegeben hat, sie sind verlierer, sie sind bürger zweite klasse und denen ist das alles übergestülpt worden aus dem westen. Also diese demokratieablehnung. Es gibt nach wie vor in dieser partei, diese formulierung, das wird ständig postuliert, daß man dieses kapitalistische system überwinden will. Das würde mich sehr interessieren, wie das dann aussieht in Thüringen, wie man dieses kapitalistische system überwindet. Das sind so sachen, das ist der populismus an den herr Lucke anknüpft, der kann dann sagen, die Ostdeutschen empfinden so. Er muß sich bloß nicht damit beschäftigen. Wer ihnen das eingeredet hat, die PDS hat den leuten immer eingeredet, es war nicht alles schlecht, sondern es war sogar vieles besser. Diese ›Ostalgysi‹ [...], die man dort verbreitet hat. Das spielt eine große rolle. «Das sind schon ziemlich krude gedanken, die der herr Schulz hier auftischt. Mir ist nicht bekannt, daß der herr Ramelow in Thüringen den kapitalismus überwinden wollte und damit geworben hätte, gegebenenfalls sozialismus in nur einem (bundes)land durchsetzen zu wollen.
Am unguten gefühl, das viele Ostdeutsche bis heute haben, verlierer und bürger zweiter klasse zu sein, ist doch nicht die LINKE schuld. Das gefühl hat sich ganz von selbst eingestellt, wenn man den einstmals sicheren arbeitsplatz verliert und später, wenn überhaupt, nur noch schlecht bezahlte arbeit findet. Das kann und will sich der weinerliche Werner Schulz, der nach der sogenannten wiedervereinigung nach oben gefallen ist, nicht vorstellen.
Und natürlich ist auch die LINKE dran schuld, daß der Lucke etwas zum »anknüpfen« findet. Dem herrn Schulz ist keine behauptung zu blöde.
Bernd Lucke:» Ja, natürlich wollen wir regieren [...] und ich muß sagen, ich finde es nicht normal, daß man nach einer erfolgreichen regierung solche fragen stellen muß. [...] Das zeigt eben gerade, daß die regierung eben gerade nicht erfolgreich gewesen ist, und das greifen wir auf - und das ist ein wichtiges korrektiv in einer demokratie, daß eine andere partei aufkommt und sagt ›nein, was die parteien hier geleistet haben [...] war eben nicht in jederlei hinsicht gut‹ und die leute sind nicht zufrieden und deshalb wählen die leute eine andere partei. [...] Es gibt alternativen und die werden auch gewählt. «Die frage ist, wofür oder für wen eine regierung in diesem staat erfolge erzielen sein muß. Ein problem ist, daß die systemfrage, wie man in Thüringen gerade wieder sieht, nicht einmal in ansätzen gestellt werden darf.
Egal, wer gewählt wird, er tritt dafür an einen kapitalistisch organisierten staat voran zu bringen. Und dabei kommt für die meisten menschen leider nichts raus, was man als »schöne lebensumstände« bezeichnen kann.
Maybritt Illner:» Wenn sie regieren wollen, mit wem möchten sie dann eigentlich regieren? «
Bernd Lucke:» Wir sind bereit mit allen demokratischen volksparteien [...] Wir empfinden uns selbst als eine partei, die alle schichten des volkes anspricht und auch von allen schichten des volkes und wenn es eine inhaltliche übereinstimmung gibt, bei der wir unsere ziele durchsetzen können, dann sind wir überhaupt nicht wählerisch, mit jedem der auf uns zukommt vernünftig zu reden und gegebenenfalls eine zusammenarbeit zu vereinbaren. «Ja, die AfD spricht alle schichten an, die eliten als welche, die etwas zu sagen haben und alle anderen als idioten, die sie wählen sollen.
Maybritt Illner:» Ziehen Sie sich warm an, kann ich nur sagen [...]«Da könnte etwas dran sein.
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