Samstag, 27. Mai 2017

Ein fall für die anstalt

Insgesamt war die sendung vom 16. mai nicht schlecht. Max Uthoff, Claus von Wagner und gäste haben einmal mehr politisches kabarett über die »schönheiten«, mit denen die lohnarbeitende bevölkerung hierzulande konfrontiert wird, präsentiert.



Gewundert habe ich mich jedoch über das solo von Anny Hartmann. Im video ab ca. 20'40 zu sehen. Die stellen sich auf die bühne reden über die gemeinheiten, die auf dem kapitalistisch organisierten arbeitsmarkt den menschen zugemutet werden und mitten drin wird eine noch größere zumutung, nämlich das BGE gefordert. Weil das 1-euro-blog zufällig gerade »BGEwochen« hat, ist das natürlich ein thema.

Damit niemand die ganze sendung anschauen muß, wenn er nicht will, hat das 1-euro-blog mal wieder keinerlei kosten und mühen gescheut und den text mitstenographiert, damit mein kommentar dazu verständlich ist.
Zitat Anny Hartmann: »Gäbe es ein grundeinkommen, hätte dieses zynische system keine chance.«
Die befürwortung eines grundeinkommens ist bereits die verweigerung, auch nur im traum an ein anderes system zu denken. Das grundeinkommen wird im zweifelsfall leider keine bessere welt bringen, sondern sehr wahrscheinlich etwas noch zynischeres als das, was es jetzt gibt.
Zitat Anny Hartmann: »Grundeinkommen - schön, daß es einige schon kennen, für die, die es nicht kennen, möchte ich es ganz kurz erläutern:

Grundeinkommen hat nichts mit kommunismus zu tun. Ist eigentlich merkwürdig oder? Die leute verwechseln mittlerweile kapitalismus mit demokratie.

Aber grundeinkommen hat nichts mit kommunismus zu tun das ist eins von ein paar modellen, wie man staatsfinanzen aufbauen kann. Wenn man, wie ich volkswirtschaft studiert hat, bekommt man das ganz gleichberechtigt mit anderen modellen beigebracht.

Und funktioniert wie folgt: jeder bürger des staates bekommt ca. 1.500€ monatlich und alles, was er verdient, kommt obendrauf. Jetzt kriegen die ersten schnappatmung - so uuuuhhhhh! - wie soll man das denn finazieren? Wo soll denn das ganze schöne geld herkommen?«
Mit kommunismus hat das leider tatsächlich nichts zu tun. Denn wie man die wirtschaft so aufbauen könnte, daß sie die bedürfnisse der menschen befriedigt, regelt das grundeinkommen nicht.

Und was die höhe des grundeinkommens betrifft, gehen die vorstellungen auch ziemlich auseinander: bei den einen sind beträge von ca. 450 € im gespräch, wo anders von bis zu 2000 €. Man muß bloß überlegen, welche variante wohl wahrscheinlicher ist.
Zitat Anny Hartmann: »Das ist immer der erste gedanke. Kein mensch fragt sich: was könnte das positives bewirken?«
Doch. Das frage ich mich schon seit langem. Und meine antwort auf diese frage ist: Höchstwahrscheinlich gar nichts. Im gegeneil.
Zitat Anny Hartmann: »Ich persönlich glaube, es würde den konkurrenzdruck aus der gesellschaft nehmen.«
Das ist ein weit verbreiteter irrtum über das grundeinkommen. Weil das grundeinkommen eine idee zur rettung des kapitalismus ist, darf man getrost davon ausgehen, daß es dann auch niedrig genug ist, daß auch wirklich möglichst alle zusehen müssen, sich eine gelegenheit zum geldverdienen zu suchen. So gut, wie akute not den menschen in die übelsten arbeitsverhältnisse zwingt, kann das jobcenter das kaum leisten.
Zitat Anny Hartmann: »Dann hätten die leute auch wieder zeit, sich zu entschuldigen, wenn sie einen anrempeln. Oder danke zu sagen, wenn man die tür aufhält [...] Also alles fragen, die man mal stellen könnte oder auch warum wird welche arbeit wie bewertet? Warum verdient ein fußballer das hunderfache einer krankenschwester? Der tut nix, der will nur spielen«
Menschen, die unfreundlich oder einfach schlecht drauf sind, wird es immer geben.

Es stimmt doch gar nicht, daß fußballer gemeinhin das hundertfache einer krankenschwester verdienen würden. Die meisten, die irgendwo in ihren dorfverein kicken gehen, verdienen damit gar nichts, die zahlen mitgliedsbeiträge für ihre vereine.

Und so ein großes rätsel, weshalb spitzensportler so viel geld hinterhergeworfen kriegen, ist es nun wirklich nicht.
Zitat Anny Hartmann: »Sind ja alles fragen, die man mal stellen könnte. Aber die frage ist immer nur - uuuuhhhh! - wo soll das schöne geld herkommen, wie sollen wir das finanzieren?«
Der staat finanziert alles, wovon er sich einen vorteil verspricht. Die Hartz-Reformen sind den staat erst mal teuer gekommen. Das ziel war aber dadurch einen konkurrenzvorteil gegenüber anderen staaten zu bekommen. Dank dumping-löhnen scheißt Deutschland seit jahren den weltmarkt mit waren zu. Das wird übrigens in der sendung in der nummer mit der wippe am schluß recht anschaulich dargestellt.

Zitat Anny Hartmann: »Ich kann Sie beruhigen, das haben viele kluge leute schon durchgerechnet - unter anderem ich in meinem studium, nein, auch andere.

Kleines beispiel, kleines beispiel von vielen, wo geld herkommen könnte: alle behörden, beamten und angestellten, die sich bisher mit der prüfung von bedürftigkeit und schikane von arbeitslosen beschäftigen, die werden überflüssig. Das setzt sehr viele gelder und noch mehr humanität frei.«
Ich möcht wohl meinen, daß es auch ökonomen gibt, die rechnen können. Allerdings ist anzuzweifeln, daß der staat gelder für mehr humanität locker macht.
Zitat Anny Hartmann: »Jetzt gucken mich hier einige an nach dem motto: »okay, vielleicht ist das finanzierbar. Ich kann mir das zwar überhaupt nicht vorstellen, wie soll das gehen, aber andererseits, kleine, rothaarige frau würde Sie doch nicht kackendreist anlügen. Aber gut. Immerhin sind wir in Der Anstalt - die muß doch verrückt sein.«

Wenn doch jeder 1.500€ kriegt, dann geht doch keiner mehr arbeiten. Das ist immer der zweite gedanke: dann geht keiner mehr arbeiten. Deswegen hat man ganz, ganz viele umfragen gemacht, man hat die menschen auf der straße gefragt: wenn Sie 1.500€ im monat bekämen, würden Sie weiter arbeiten gehen? 80% der menschen haben gesagt, sie würden weiter arbeiten gehen. Dann hat man exakt die gleichen menschen gefragt, ob se glauben, daß ihr nachbar weiter arbeiten gehen würde.

Wieviel prozent haben gesagt, ihr nachbar geht nicht weiter arbeiten? 80% natürlich.

Na, klar. Von sich denkt der mensch gut. Vom anderen denkt er schlecht.

»Ich bin der held der arbeit - aber mein nachbar, das is ne faule sau!«

Dabei heißt es so schön, von sich auf andere schließen. Der mensch an sich möchte doch arbeiten.

Der mensch an sich möchte was sinnvolles aus seinem leben machen. Gut - außer bänker, lobbyisten und Heidi Klum.«
Wenn es ein grundeinkommen gäbe, das wirklich zum leben reicht, würde ich natürlich zu den 20% der etwas klügeren gehören, die etwas besseres mit ihrer lebenszeit anfangen könnten, als ausgerechnet lohnmalochen zu gehen.

Mußestunden zu genießen ist schließlich etwas völlig anderes als »nichts sinnvolles« aus seinem leben zu machen.
Zitat Anny Hartmann: »Und das beste konzept, im leben glücklich zu werden ist doch - stellen Sie sich die frage »wenn ich mir um geld keine gedanken machen müßte, womit würde ich mich dann beschäftigen?

Also, wenn ich nicht kabarettistin wär, ich wär restaurant-testerin. Und mit dem grundeinkommen können Sie sich diese frage stellen. Sie können sich die frage stellen, wenn ich mir um geld keine gedanken machen müßte, womit würde ich mich beschäftigen?«
Wenn ich mir um geld keine gedanken machen müßte, säße ich in einer villa mit seeblick und würde mich damit beschäftigen, ob es stilvoller ist, den swimmingpool mit Champagner oder Krimsekt zu befüllen. Außerdem würde ich mir gedanken drüber machen, wie mein personal zu höherer produktivität gezwungen werden könnte.
Zitat Anny Hartmann: »Sie könnten ganz frei überlegen, was sind Ihre stärken, wo liegen Ihre interessen, was sind Ihre talente? Sie können die frage auch umformulieren. Sie können auch fragen, wenn ich keine angst hätte, womit würde ich mich dann beschäftigen?

Und wenn Ihnen dann über pfingsten, da sollen ja auch schon ganz andere erleuchtet worden sein, etwas einfällt, dann wär am besten, auch ohne grundeinkommen, Sie machen das auch jetzt schon.

Ich weiß, es kostet mut und kraft, sein leben zu ändern. Aber wie viel mut und kraft muß es kosten, sein leben lang unglücklich zu sein?

Ich werde ja auch oft gefragt, woher ich den mut und die kraft hatte, meine stelle als diplom-volkswirtin bei der Sparkasse aufzugeben, ausgerechnet, um künstlerin zu werden. Das war ein lebenslang sicherer job und ein festes einkommen. Und ob ich denn jetzt, von meinem job als künstlerin leben könnte? Erstens, ja, das kann ich - ja Sie haben es bezahlt, vielen dank - und zweitens hat mich nie jemand gefragt, ob ich denn mit meinem job leben kann.

Man muß ja nicht nur von, man muß auch mit einem job leben können.«
Das hat mit dem grundeinkommen rein gar nichts zu tun, wenn man mit seinem leben etwas anderes anfangen möchte als bis zum bitteren ende den beruf auszuüben, den man nach der schule mal gelernt hat.

Mit dem job leben zu können würde auch mit grundeinkommen ein luxus sein, den sich die meisten eher nicht leisten können.
Zitat Anny Hartmann: »Und wenn Sie das nicht überzeugt. Ich hab ein argument, da kommen Sie nicht dran vorbei: Denn überlegen Sie mal mit so nem grundeinkommen, da wäre Adolf Hitler maler geblieben.«
Das zieht leider auch nicht. Dem anstreicher ging es nicht ums überleben, sondern um nichts geringeres als die rettung der Deutschen nation.

***

Die BGEwochen des 1-euro-blog sind beendet. Demnächst wird es wieder um andere themen gehen.

2 Kommentare:

  1. Fußballer im sinne von Profifußballer und die verdienen nicht hundert mal mehr sondern viele hundert mal mehr. Ich denke schon, dass wenn Menschen nicht Jobs machen müssten, die sie nicht wollten, dass sie dann viel friedlicher wären.
    Aber Meinungen gehen auseinander und das macht die Vielfalt.

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    1. Als »fußballprofi« gilt man hierzulande, wenn man mehrfach die woche trainiert und eine bestimmte zeit für das training aufwendet, ob man damit auch nur einen einzigen pfennig verdient, spielt dabei keine rolle.

      Daß die »stars« auf diesem gebiet reich werden, liegt halt dran, daß sie der »nationalen sache« dienen, indem sie etwas zur nationalen identität beitragen.

      Selbstverfreilich bin ich gegen zwang zur arbeit. Aus diesem grund bin ich auch gegen das grundeinkommen, weil es unter dem vorzeichen unseres wirtschaftssystems immer so niedrig sein würde, daß es absoluten zwang bedeutete - tut mir leid. Dafür bin ich nicht einmal gegen geld zu haben.

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