Mittwoch, 24. Mai 2017

Irrtümer über menschenbilder und machtfragen

Fortsetzung

Ein streitgespäch mit frau Prof. Dr. Anke Hassel von der Hans-Böckler-Stiftung, Michael Bohmeyer vom verein Mein Grundeinkommen e.V. und hörerbeteiligung, moderiert von Matthias Hanselman vom Deutschlandfunk Kultur.

Dem hörer aus Erfurt gefällt das menschenbild, das frau Hassel angeblich habe, nicht.
Zitat hörer aus Erfurt: »[...]Was ich wirklich sagen muß ist, daß mir dieses menschenbild nicht gefällt, was so vermittelt wird von Ihnen, frau Hassel. Also, auf der einen seite unterstellen Sie dem Herrn Werner und dem herrn von der Deutschen Telekom, daß ihr grundanliegen eigentlich darin besteht, wenn sie für das BGE sind, die verantwortung für möglicherweise reduzierte arbeitsplätze nicht übernehmen zu wollen. Das finde ich eigentlich nicht so. Ich finde es sogar sehr klug, was diese beiden männer machen, weil die wahrscheinlich noch mehr als andere unternehmer verstehen, daß natürlich die nachfrage irgendwann einbrechen wird, wenn gesellschaftliche verwerfungen sich dahingehend auswirken, daß die leute immer weniger sozusagen zeit und möglicherweise auch immer weniger geld haben. Durch streß krank werden. Andere prioritäten setzen müssen, sozusagen. Ich glaube das ist ziemlich klug, was diese... diese, gerade herr Werner, den ich schon ein paar mal live erlebt habe auch gerade in Erfurt, was ja der herr Werner auch vom ansatz grundsätzlich her hat. Und da bin ich auch schon eher der meinung von herrn Bohmeyer, der einfach auch schon ein modernes menschenbild hat, das möglicherweise auch noch gar nicht in gänze so existiert, aber er hat natürlich schon recht, daß viele, viele menschen in so einer art hamsterrad gefangen sind, sie sind gestreßt im job, sie müssen sich permanent gegen andere behaupten. Der solidarische gedanke geht im normalen arbeitsleben leider gottes weitgehend unter [...].«
Natürlich ist es ein modernes menschenbild, das Götz Werner oder Tim Höttges haben. Die finden es nämlich optimal, den menschen weiter für den kapitalismus zu konditionieren. Die sprechen gern von der würde, die man angeblich nicht hätte, wenn man irgendwo um hilfe bitten müsse.

Es ist erhellend, was Tim Höttges im interview mit dem handelsblatt sagt: »Wir arbeiten heute schon anders – zu Hause, im Office, unterwegs. Projektbezogen. Unsere Qualifikation ändert sich dauernd. Den klassischen Job, den ich nach Schule und Studium antrete und bis zur Rente ausübe, gibt es kaum noch. Job-Plattformen wie LinkedIn, wo man sich und seine Arbeitsfähigkeit selbst bewirbt, sind ja nur Symptome dieses Mechanismus. Der verlangt auch mehr Eigenverantwortung. Also wird es Phasen geben, in denen der Mensch keine Arbeit hat, umschult oder nur in Teilzeit für ein Unternehmen arbeitet. Diese Phasen wird der Sozialstaat überbrücken müssen. Warum soll man dessen komplexe Förderungssystematik nicht mit einem bedingungslosen Grundeinkommen ersetzen?«

Es ist durchaus empfehlenswert, das gesamte interview zu lesen. Man kann dort eine durchaus moderne form der menschenfreundlichkeit bewundern, bei der nicht der mensch, sondern das arme, geplagte und förderungswürdige unternehmertum im mittelpunkt steht. Gefragt nach der Deutschen »grundeinkommens-fanbase«, in der auch frau Kipping von der LINKEN unterwegs ist, antwortet der natürlich nicht, daß deren »emanzipatorisches grundeinkommen« ein weltfremder schmarrn sei, sondern getreu dem motto »nicht über modelle diskutieren, sondern einfach dafür sein«, daß sich eben aus allen richtungen kluge köpfe für die gleiche idee solidarisieren würden, schließlich ginge es um den veränderungswillen.

Die LINKE vor dem karren des kapitals hat sich schon immer gut gemacht.
Zitat hörerin: »Es macht mir hoffnung, daß es vielleicht doch mal einen anderen weg in unserer gesellschaft gibt [...] Ich komm aus einer lebenserfahrung in der DDR, wo geld nicht ganz so ne rolle gespielt hat wie jetzt und das ist ein anderes lebensgefühl gewesen. Was oft ehemalige DDR-bürger bedauern, daß sie das verloren haben durch den kapitalismus, durch diese lebensweise. Ich will das jetzt nicht schönreden, aber es gibt da lebenserfahrungen, die wir gemacht haben im osten, die anders sind als jemand, der immer in dieser welt gelebt hat, wo alles immer nur vom geld bestimmt ist. «
Es ist deprimierend, wie sich menschen falsche hoffnungen auf eine sozialere welt machen. Die geldsorgen, die viele menschen im kapitalismus haben, werden mit dem grundeinkommen nicht kleiner, sie fangen dann erst richtig an: die sozialleistungen, die man jetzt noch in anspruch nehmen kann, wird es dann nicht mehr geben. Und das bedeutet, daß man mit dem BGE wirklich alles selbst kaufen muß.
Zitat Michael Bohmeyer: »[...] Es ist die verhandlungsposition und die machtfrage, die mit so einem grundeinkommen immer explizit und implizit gestellt wird, frau Hassel hier neben mir sagt ja, sie würde gern die gesellschaft besser machen durch bessere jobs und bessere löhne und mehr jobs im sozialen. Da frage ich mich, wie verdammt noch mal wollen wir das hinkriegen im neoliberalismus? Wo staatliche gelder immer weiter gekürzt werden? Wo gewerkschaften so schwach sind wie nie. Wo die digitalisierung vor unserer haustür steht. Also was ist das für eine utopie in diesem system verbesserungen zu finden, daß wir die sozialen aufgaben der zukunft mit den bisherigen mitteln geregelt kriegen?«
So ein schreck! Da ist es 2017 und plötzlich steht die digitalisierung vor der tür! Vor dreißig jahren hätte die sich das nie getraut!

Der herr Bohmeyer sollte sich, bei all den fragen, die er hat, zusätzlich auch noch die frage stellen, was eigentlich menschen wie der Timotheus Höttges für ein interesse verfolgen, wenn sie das grundeinkommen fordern. Daß diese figuren arbeitslose mit einer besseren verhandlungsposition und mehr macht ausstatten wollen, darf angezweifelt werden.

Aber es kommt noch besser.

2 Kommentare:

  1. Gefordert wird eine andere Welt, keiner macht sich jedoch von der aktuellen einen Begriff. Sie entdecken überall soziale Missstände und Zwänge, entdecken dass sich die Arbeitswelt nicht nach denen richtet, die die Arbeit machen müssen, fragen sich aber niemals wieso das denn so ist und ob es denn wirklich sein muss.

    Die neue Welt soll entstehen ohne die aktuelle verlassen zu müssen. Ob das gut geht?

    Warum wird Arbeit so angewendet wie heute? Weil sie die negative Seite des Gewinns ist und um den geht es nun mal.
    Warum findet nicht einfach Versorgung mit Gütern statt? Weil es um deren Produktion nicht geht, sondern um die Vermehrung des eingesetzten Geldes. Das Waren produziert werden müssen ist dafür notwendig, aber nicht der Zweck. Das ist der Unterschied zwischen Grund und Zweck.
    Die wären alle viel weiter, wenn sie sich diese Gedanken erst mal zu eigen machen würden. Das wäre der erste Schritt.
    Den geht aber keiner, sondern es wird sofort die Utopie eingefordert, wenn man nur mal erwähnt, dass einfach nur fürs Bedürfnis produziert werden müsste, ohne den Umweg übers Geld zu gehen.

    Das ist das Elend bei solchen Diskussionen.

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    1. Das ist tatsächlich ein elend, daß vergleichsweise wenige begreifen, daß die versorgung mit waren nicht der sinn der wirtschaft, sondern bloß das »abfallprodukt« der gewinnerzielung ist und wo eigentich das problem mit der lohnmaloche liegt.

      Es ist absurd, daß viele imstande sind, sich die berühmte unsichtbare hand zu denken, die das marktgeschehen steuern würde. Sich jedoch eine wirtschaft vorzustellen, die frei von markt und warentausch einfach dafür da ist, alle menschen zu versorgen, scheint ein ding der unmöglichkeit zu sein.

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