Ein streitgespäch mit frau Prof. Dr. Anke Hassel von der Hans-Böckler-Stiftung, Michael Bohmeyer vom verein Mein Grundeinkommen e.V. und hörerbeteiligung, moderiert von Matthias Hanselman vom Deutschlandfunk Kultur.
Aber immerhin ein hörer, der das alles zumindet anzweifelt:
Zitat hörer aus Frankfurt am Main: »Ein BGE kann im kapitalismus nicht funktionieren, weil der kapitalismus eben darauf beruht, profit zu machen und der profit und der profit ... das ist das entscheidende und nicht der bedarf. [...] Bedingungsloses grundeinkommen widerspricht kapitalistischer logik. Das kann nicht funktionieren. [...]«Da ist was dran. Das grundeinkommen würde nichts daran ändern, daß es nicht um die bedarf der menschen, sondern um den profit geht. Mit dem grundeinkommen ginge es nicht, wie die wohlmeinenden menschenfreunde unter den BGEbefürwortern es sich wünschen, um die versorgung der menschen, sondern auch wieder nur um die verbilligung der arbeitskräfte.
Es ist eine ziemlich verkorkste idee, die leute erst um geld konkurrieren zu lassen, um am schluß vom erwirtschafteten geld den konkurrenzverlierern dann wenigstens noch ein angenehmes leben zu spendieren. Aber dafür ist das BGE gar nicht gedacht. Die meisten modelle sehen ein grundeinkommen vor, gegen die der h4regelsatz plus wohngeld schon fast als ein reicher geldsegen erscheint.
Der druck, den heute das jobcenter ausübt, jede auch noch so beschissene stelle anzunehmen wird ersetzt durch die »freie« enscheidung entweder hungerkünstler zu werden oder unter allen umständen arbeit anzunehmen.
Zitat Michael Bohmeyer: »[...]Wir müssen arbeiten, um ein erwerbseinkommen zu haben, damit wir leben können. Alle menschen müssen das. Und zwar mit immer höherem tempo, immer weniger zeit für reflexion und solidarität mit anderen. Und ich glaube, daß ein grundeinkommen, wenn man dann die eigentumsfrage thematisieren will, erstmal nichts antikapitalistisches ist, und ich würde eher noch sagen, es rettet die zeit des kapitalismus vielleicht noch ein bißchen [...] aber dann verändert es etwas im kopf, ich glaube das mit nem grundeinkommen viele menschen sich die frage stellen, [...] will ich das eigentlich noch? Also jetzt, wo geld nicht mehr so ein ganz knappes gut ist, wo ich ein gewisses maß an sicherheit hab, habe ich da überhaupt noch lust mitzuspielen, will ich vielleicht weniger arbeiten, will ich vielleicht was anderes arbeiten? Habe ich vielleicht resourcen, weil ich nicht mehr so im mangel bin, mich vielleicht auch mal um meine mitmenschen zu sorgen. Und ich glaub das sind die mechanismen, die den kapitalismus in frage stellen lassen und zwar nicht zu nem anderen, neuen autoritären sozialismus zu kommen, sondern vielleicht zu ner ganz neuen freiheitlichen form des zusammenlebens. Die wir uns heute, weil uns die psychische basis dafür fehlt, vielleicht noch gar nicht vorstellen können. [...] Mitte des jahrhunderts werden die hälfte der heute bekannten jobs von maschinen erledigt werden. Was machen wir denn mit den anderen leuten? Selbst wenn diese zahlen übertrieben wären und es nur 20 % sind - sollen die alle von h4 leben? Und dem amt jeden monat berichten, wo sie sind und was sie machen und in sinnlosen maßnahmen ihre lebenszeit verbringen? Ich glaub, wir brauchen neue antworten für die zukunft und ich kenne keine bessere als das grundeinkommen. Und ich habe auch von der gewerkschaft keine besseren antworten bekommen.«Es ist falsch, daß alle menschen einer erwerbsarbeit nachgehen müßten. Es gibt zwei sorten menschen. Die, die für ihren lebensunterhalt arbeiten müssen und die, die für ihren lebensunterhalt arbeiten lassen. Interessanterweise werden nur letztere mit ihrem erwerb reich.
Es stimmt, daß die leute, die arbeiten müssen, das mit immer höherem druck tun. Das sind nicht die folgen einer naturkatastrophe, sondern das ergebnis von inzwischen jahrhundertelangem technischen fortschritt, der innerhalb kapitalistischen logik nie dazu geführt hat, daß die arbeit weniger oder leichter geworden wäre. Es ist immer daraus hinausgelaufen, daß die einen mehr und härter arbeiten mußten und die anderen auf der straße gestanden haben.
Diese zukunftsprognosen, daß der menschheit die arbeit ausginge, gibt es vermutlich seit beginn der Industriellen Revolution. In den 70er und 80er jahren des vergangenen jahrhunderts wurde davon gesprochen, daß nach der jahrtausendwende niemand mehr »vollzeit« würde arbeiten müssen, weil die segnungen der technik menschliche arbeit überflüssig mache und somit die arbeitswoche für die menschen dann hauptsächlich aus wochenende bestünde. Leider ist es anders gekommen.
Richtig ist, daß das BGE den kapitalismus nicht abschaffen wird. Es würde die negativen auswirkungen auf die menschen eher noch verschärfen, weil alle, die derzeit arbeitslos sind, dadurch gezwungen wären sich irgendwie geld zu verdienen und ganz traurig würde es für die aussehen, die aus welchen gründen auch immer nicht arbeiten können. Das würde eben nicht zu mehr solidarität mit anderen, sondern zu mehr konkurrenz führen.
Aber man muß den kapitalismus auf biegen und brechen aufrecht erhalten, weil sozialismus immer als totalitäres system gedacht werden muß. Das ist schließlich naturgesetz. Gibt ja nichts anderes und deswegen muß der kapitalismus notfalls mit dem BGE gerettet werden.
Ach ja, das BGE! Eine zutiefst libertäre Idee, die weit mehr Probleme schaffen dürfte als sie löst. Um die Schikane durch Hartz-IV-Sanktionen zu beenden, reichen ein paar Gesetzesänderungen. Aber es soll ja darum gehen, wie im letzten Post bereits erwähnt, alle, also wirklich alle Sozialleistungen zugunsten des BGE abzuschaffen, und spätestens da fängt die Sache an zu stinken. Zu den Sozialleistungen im engeren Sinne gehören nämlich nicht nur Alimentierung von Erwerbslosen und sinnfreie Bewerbungstrainings, sondern auch Gesundheitsversorgung, Renten aller Art, Umschulungen, Weiterbildungen, Erziehungshilfe, Mutterschutz etc. Soll das alles mit abgeschafft werden? Dann wünsche ich viel Spaß, von dem Tausender im Monat das alles zu bestreiten. Die Kreditwirtschaft dürfte sich jetzt schon die Hände reiben. Und wenn dann doch nicht alles abgeschafft wird, wie und von wem wird entschieden, was bleibt? Jede Wette, etliches wird bleiben müssen, und dann wird gar nichts einfacher. Wie und von wem wird die Höhe des BGE festgelegt? Von einer der zahllosen Expertenkommissionen? Die ja grundsätzlich aus völlig neutral urteilenden Neoliberalen bestehen?
AntwortenLöschenKurz gesagt, unausgegorener Quark.
Ja, die BGE-modelle z.B. von Thomas Straubhaar oder Götz Werner sehen es vor, den gesamten sozialstaat zugunsten des BGE in die tonne zu treten. Ob Du dann eine altersrente, bezahlten urlaub, gesundheitsvorsorge, lohnfortzahlung im krankheitsfall, krankengeld bei längerer erkrankung, mutterschutz, weiterbildung oder was auch immer bekommst, ist dann Dein privatvergnügen. Ob Du irgendwas kriegst, darfst Du völlig frei mit Deinem arbeitgeber aushandeln und sonst liegt es allein an Dir selbst, ob Du für den notfall vorsorgen willst oder kannst.
LöschenDie interessante frage, wie und von wem die höhe des BGE überhaupt bestimmt wird, ist im grunde relativ leicht zu beantworten: da kommt (wie immer) experte kassenlage zum zug - und der sagt in gewohnter weise »gürtel enger schnallen.«
Das ist übrigens ein schönes Beispiel, warum aus der von Frau Mühlstein weiter oben erwähnten früheren Zukunftsprognose, daß die Werktätigen mit zunehmenden wissenschaftlich-technischen Fortschritt und einer enormen Steigerung der Produktivität der Arbeit zukünftig immer weniger arbeiten müßten, nichts geworden ist:
AntwortenLöschenDer Grund ist letztlich, da das in Geld gemessene Maß des gesellschaftlichen (bürgerlichen) Reichtums nicht die erreichte Produktivität der Arbeit, sondern die menschliche Arbeit ist.
Was wiederum heißt, daß die bürgerliche Gesellschaft desto reicher ist, je mehr gearbeitet wird - und umgekehrt.
Was das kein Irrsinn ist, was dann.
(Auch wenn einige davon bislang profitierten.)
Grüße
Andreas Neumann
Noch ergänzend:
AntwortenLöschenIn der kapitalistischen bzw. bürgerlichen Gesellschaft ist das genaue Gegenteil der Fall.
Je produktiver die menschliche Arbeit ist, desto weniger Geldwert haben die hergestellten Waren bzw. Dienstleistungen.
Weshalb die Unternehmen wiederum immer mehr verkaufen müssen, siehe das von Karl Marx in Band 1 seines Lebenswerks "Das Kapital" ausführlich erklärte Wertgesetz.
(Auch wenn das den allermeisten Beteiligten gar nicht bewußt ist.)
Grüße
Andreas Neumann
PS: Gut zu beobachten war das übrigens auch in der Landwirtschaft während der vergangenen Jahrzehnte.
Mit zunehmender Produktivität wurden die meisten Landwirte nicht reicher, sondern ärmer.
Während es heutzutage kaum noch selbständige Bauern gibt.