Ein streitgespäch mit frau Prof. Dr. Anke Hassel von der Hans-Böckler-Stiftung, Michael Bohmeyer vom verein Mein Grundeinkommen e.V. und hörerbeteiligung, moderiert von Matthias Hanselman vom Deutschlandfunk Kultur.
Jetzt kommt endlich auch mal frau Hassel von der Böckler-Stiftung zu wort:
Zitat Anke Hassel: »Als privates projekt begeistert mich das durchaus. [...] Unsere gesellschaft hat an vielen stellen tatsächliche, soziale probleme. Probleme mit sozialer ungleichheit, aber auch probleme damit, daß gesellschaftliche bedürfnisse nicht gedeckt werden können. Man sieht es im pflegebereich, man sieht es im altenpflegebereich, man sieht es auch in schulen, in kindergärten, kinderbetreuung und so weiter. Diese gesellschaftlichen bedürfnisse zu decken, wäre mein wichtigstes anliegen. Wenn man ein solches modell von den privaten auf eine staatliche politik übertragen würde, wäre das die größte sozialreform der letzten hundert jahre, also die würde in den dimensionen den Bismarckschen versicherungsstaat quasi aushebeln. Es würden sehr große geldsummen dafür benötigt, also um ein grundeinkommen zahlen zu können, das jetzt nicht deutlich unterhalb der armutsgrenze ist. Und wenn man schon so viel geld einsammeln würde und man bereit ist, so viel geld auszugeben, dann hätte ich einfach andere prioritäten. Also ich würde damit die schulen sanieren, ich würde damit nachbarschaftszentren aufbauen, wo den menschen dann auch wirklich geholfen werden kann, wo behinderten geholfen werden kann, wo aber auch kindern beim lernen geholfen werden kann. Wir haben so viel integrationsbedarf in unserer gesellschaft. Und wenn man viel geld in die hand nimmt, dann würde ich es eher so ausgeben.«Wer wollte schon etwas dagegen sagen, wenn leute sich zusammentun und geld einsammeln, welches dann an andere weiterverschenkt wird? Das ist ihre privatangelegenheit, wer daran teilnehmen möchte, kann das tun. Wer das blödsinnig findet, läßt es bleiben.
Würde das allerdings staatlich organisiert, wäre es sicher nicht das problem, daß sich ein paar lebenskünstler, die mit wenig auskommen können, auf kosten anderer womöglich auf die faule haut legen, sondern, daß menschen, die wirklich auf hilfe angewiesen sind, dann eben auch nur diese eine sozialleistung erhalten. Diese menschen haben dann kein recht mehr auf hilfe, sondern können dann bestenfalls auf den guten willen anderer hoffen.
Mit sicherheit wäre es vernünftiger, in soziale infrastruktur zu investieren, als jedem ein paar euro in die hand zu drücken, die ein teil der leute nicht unbedingt braucht, während für andere diese hilfe nicht zum überleben reicht. Wer beispielsweise zu krank ist, um auf sich aufmerksam zu machen, bekommt dann eben nichts.
Zitat Matthias Hanselmann: »Es gibt prominente befürworter des BGE aber auch prominente gegner. Wenn wir denken an Götz Werner, den chef der drogeriemarktkette DM, der selbst milliadär ist, oder Telekomchef Tim Höttges, früher finazchef der Telekom, das sind zwei sehr prominente menschen, die sind für das BGE. Finanziert durch den staat. Wie kommt das, daß da so eine spaltung besteht?«Mich wundert es schon lange nicht mehr, daß es so viele unternehmer gibt, die das grundeinkommen gut finden. Wenn es nach Götz Werner geht, wären die unternehmer auf einen schlag sämtliche steuern und sozialabgaben los: als einzige sozialleistung soll nur das BGE für alle gezahlt werden, das aus der einzigen steuer, die dann noch gezahlt werden muß, nämlich der umsatzsteuer, finanziert werden soll. Die umsatzsteuer wird bekanntermaßen nicht von unternehmen, sondern allein von den endverbrauchern auf den konsum bezahlt.
Zitat Anke Hassel: »Genau. Sie sind für ein grundeinkommen, das sie nicht selber finanzieren würden. Sie würden ja nicht den weg von herrn Bohmeyer gehen und sagen: ich setze jetzt mein eigenes vermögen dafür ein, daß wir in Deutschland ein grundeinkommen einführen, sondern die sagen ja, der steuerzahler soll dafür zahlen, oder die allgemeinheit soll dafür zahlen. Ein grund, weshalb besonders gut verdienende oder Silikon-Valley-investoren sind ja oftmals für ein grundeinkommen, hat damit zu tun, daß sich sehr gut verdienende doch gedanken machen über die soziale spaltung in der gesellschaft. Aber auch aus dem grunde, daß sie nicht zur verantwortung dafür gezogen werden wollen. Und sie die idee haben, wenn wir ein grundeinkommen hätten, könnten wir die soziale frage oder der sozialen spaltung damit begegnen. Niemand könnte sie mehr dafür kritisieren, daß sie vielleicht arbeitsplätze vernichten, arbeitsplätze abbauen, nicht mehr so gute arbeitsplätze zur verfügung stellen.«
Das bedeutet, daß die leute, die sehr wenig geld haben und jeden monat ihr gesamtes geld verkonsumieren müssen, ohne freibetrag 100% ihres einkommens versteuern müssen, während jeder nicht verkonsumierte cent steuerfrei bleibt. Damit hätten milliadäre sozusagen einen riesigen steuerfreibetrag, weil sie immer nur einen winzigen bruchteil ihres einkommens in den konsum stecken müssen, während einnahmen aller art völlig steuerfrei bleiben. Vom lohn, den man auf diese art und weise einsparen kann, ganz zu schweigen.
Für das BGE zu sein ist für die ein extrem preisgünstiger weg, als sozialer menschenfreund zu gelten und gleichzeitig für radikalen sozialabbau und steuererleichterungen für reiche zu sein.
Zitat Matthias Hanselmann: »In vielen anderen ländern spielt das thema eine große rolle. In Kanada oder den Niederlanden gibt es modellversuche. In Finnland wird das grundeinkommen seit dem vergangenen jahr getestet. Da werden 2000 zufällig ausgewählte arbeitslose mit 560 € im monat bedacht und das ohne verpflichtungen und nach zwei jahren will man im Finnischen sozialministerium dann prüfen, ob sich dieses grundeinkommen dann lohnt und rechnet. Die Schweizer allerdings haben im vorvergangenen jahr sich gegen das grundeinkommen entschieden. [...] «Bedürfnisorientiertes system? Das wäre ja der reinste kommunismus und das darf es nicht geben!
Zitat Anke Hassel: »Ich bin stärker für ein bedürfnisorientiertes system, weil ich glaube, daß die menschen unterschiedliche bedürfnisse haben, sie haben unterschiedliche gesundheitszustände, sie sind unterschiedlich leistungsfähig und wir müssen den menschen das geben, was sie an bedürfnissen haben und so eine rasenmähermethode zu sagen, wir geben denen, auch denen, die es nicht brauchen, tausend euro und auch denen, die vielleicht mehr als tausend euro brauchen, denen geben wir auch nur tausend, weil wir ja kein system hätten, da zu differenzieren, fände ich nicht gerecht und auch nicht gerechtfertigt. «
Deshalb sind die hörer auch dagegen und für ein grundeinkommen:
Zitat hörerin aus Leipzig: »Ich bin auch mit im verein Mein Grundeinkommen ich hab’ mich beteiligt sozusagen oder beteilige mich. Und ich finde es sehr gut. Ich finde aber der schritt der finanzierung, das ist der zweite schritt. Der erste schritt ist erstmal dieses komplette umdenken der ganzen sache. Das ist, was, glaube ich, vielen leuten angst macht. Ich denke, daß man viel mehr den demokratischen gedanken denken sollte [...] daß die gesellschaft sich als wirkliche gesellschaft begreifen muß und nicht jeder für sich einzeln denkt, der andere könnte mir was wegnehmen. Das ist nämlich das große problem in unserer gesellschaft. Und ich glaube, daß das wirklich ein mehrwert wäre. Weil der druck der herrscht, und ich rede jetzt nicht von menschen die ein gutes einkommen haben, sondern von der bäckereifachverkäuferin, der supermarktverkäuferin, von der kellnerin, die wirklich hart arbeiten und immer das gefühl haben, sie lieben irgendwie so an einer grenze, denen würde das glaube ich unglaublich helfen. Auch gesund zu bleiben in ihrem leben [...]. Wie viele menschen gibt es, die nur darauf gucken, ihr leben nach dem geld auszurichten. Ihrem status und so weiter. Wie ungesund ist das denn für ne gesellschaft? Warum sind denn viele menschen ungesund? Weil sie gestreßt sind und das nimmt ja auch total zu, weil sie nem druck unterliegen, der zwangläufig da ist - dieses ganze konkurrenzdenken. Was macht denn das mit menschen? [...] Ich glaube, daß das extrem viel potential der menschen freisetzen würde.«Es ist eine merkwürdige idee, in einer geldbasierten kapitalistischen gesellschaft menschen ausgerechnet dafür zu kritisieren, daß sie ihr leben am geld ausrichten. Den leuten bleibt kaum etwas anderes übrig, als sich zu bemühen, irgendwie geld zu verdienen. Denn sie sind genötigt, jeden mist kaufen zu müssen.
Es wäre tatsächlich notwendig, daß die anhänger des grundeinkommens komplett umdenken. Das BGE ist leider kein weg aus der konkurrenz, sondern der weg aus der solidargemeinschaft.
Wenn das BGE eingeführt würde, wäre leider nicht der druck von den menschen genommen. Der zwang zur konkurrenz auf dem arbeitsmarkt wäre keineswegs abgeschafft, im gegenteil. Durch die erhöhte mehrwertsteuer (daß ein konsumsteuerfinanziertes konzept eingeführt würde, ist am wahrscheinlichsten) wäre dann schon mal die hälfte der kaufkraft weg, somit müßte jeder zusehen, wie er sich irgendwie ein paar euro hinzuverdienen kann.
Zitat mail einer hörerin: »Ein bedingungsloses grundeinkommen ist unabwendbar, weil unser sozialsystem längst nicht mehr funktioniert. Das widerspricht der menschenwürde. Besonders das menschenverachtende h4system in dem arbeitslose diskriminiert und in prekäre jobs gedrängt werden.«Das sozialsystem wurde durch die reformen »gerettet«, damit man es durch etwas »besseres«, wie z.B. dem BGE abschaffen kann. Mit dem BGE wird es insofern menschenfreundlicher, daß die leute nicht mehr in prekäre jobs gedrängt werden, sondern diese tollen stellen aus geldnot »freiwillig« annehmen. Damit wäre also mächtig was gewonnen.
Zum heutigen schluß noch eine etwas wirre idee:
Zitat mail von hörer aus Berlin: »Im gegensatz zum kommunismus, kapitalismus und zur sozialen marktwirtschaft entsteht mit dem BGE zum ersten mal eine gesellschaft, bei der die verteilungsfrage nicht allein an die wirtschaft gekoppelt wird. Ein BGE bedeutet letztlich mehr freiheit für die mehrheit der menschen.«Woher das geld, das verteilt werden soll, dann kommt, wenn nicht aus der wirtschaft, erklärt der gute mensch leider nicht.
Es ist kein zufall, daß so viele unternehmer für das BGE sind. Die sind nicht plötzlichh antikapitalistisch geworden. Das BGE ist kein ausstieg aus dem kapitalismus.
Klar schafft das BGE mehr freiheit, fragt sich nur, wer dann frei wozu ist. Daß dabei ein angenehmeres leben für die mehrheit rauskäme, darf angezweifelt werden.
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