Sonntag, 10. Februar 2013

1-€-blog-klassiker: Zirkus Sarrazyni

Fünf jahre ist es inzwischen her, daß der damalige finanzsenator Berlins den dummen arbeitslosen beweisen wollte, wie wunderbar billig man sich in Deutschland ernähren könne. Darum heute noch mal zur erinnerung:

Die tage eins, zwei, drei


Folgende »diät« empfiehlt ein deutscher politiker seinen wählern. Man kann ruhig allgemein von wählern sprechen – jeder hat heutzutage die möglichkeit, teilhaber des h4paradieses zu werden. Für diejenigen, die die 3-tage-sarrazin-diät noch nicht kennen, hier der üppige speiseplan:

tag 1
frühstück2brötchen0,30
25 g marmelade0,06
20 gbutter0,10
1scheibe käse0,25
1apfel0,24
1glas saft, 200 ml0,30
2tassen tee0,10


mittagessen


100 g


hack


0,38
»Spaghetti Bolognese«125 gspaghetti0,15
200 gtomatensauce0,40
div.gewürze/öl0,10


snack


1


kaffee und
1joghurt, zusammen0,40


abendessen


1/2


gurke


0,30
130 gleberkäse0,56
200 gkartoffelsalat0,34
summe3,98
regelsatz4,25



tag 2
frühstück80 gmüsli0,40
1banane0,25
1/4 lmilch0,35
20 ghonig0,08


mittagessen


100 g


kartoffeln


0,05
gemüsesuppe mit fleisch1möhre0,05
1stange porree0,30
1/2kohlrabi0,30
? grindfleisch und gewürze0,65


snack


1


glas tee


0,05


abendessen


2


scheiben brot


0,12
2scheiben käse0,50
1scheibe bierschinken0,15
100 gkrautsalat0,20
summe3,80
regelsatz4,25


tag 3
frühstück3scheiben vollkornbrot0,12
2scheiben wurst0,30
1scheibe käse0,25
2tassen kaffee0,10
1glas saft0,30
20 gButter0,10
1mandarine0,25


mittagessen


1


bratwurst


0,38
wurst mit kraut? gkartoffelbrei0,25
150 gsauerkraut0,12
? ggewürze, öl0,20


snack


1


kaffee und
1banane, zusammen0,30


abendessen


2


scheiben brot


0,12
100 gkräuterquark0,30
1scheibe schinken0,30
2tomaten0,27
2glas tee0,10
summe3,76
regelsatz4,25

Tag vier

Am vierten tag ist der selbstversuch des herrn Sarrazin bereits beendet. Er wirft das handtuch. Schließlich ist der rest des hackfleischs aus der billigen 500 g packung von tag eins bereits leicht grünlich angelaufen und macht keinen wirklich appetitlichen eindruck mehr. Während herr Sarrazin sein lieblingslokal aufsucht, ein kalbsfilet mit salat und salzkartoffeln bestellt und seinen ekel mit einer guten flasche rotwein herunterspült, überwindet der h4empfänger seinen brechreiz mit einem glas frischen leitungswassers – herr Sarrazin wird den genauen preis dafür sicherlich im kopf haben – und überlegt, wie er die verbliebenen 400 g gammelfleisch im wert von 1 euro 52 sinnvoll verwerten kann. Man könnte hackfleischschnittchen daraus fabrizieren und herrn Sarrazin zum abendessen einladen. Selbst sollte man sich allerdings erinnern, daß man zu sparen hat und lieber einen trockenen kanten brot verzehren, stattdessen nur den gast mit dieser besonderen delikatesse verwöhnen – knoblauch, der den unangenehmen geruch faulenden fleisches überdeckt, kostet nur wenige cent, bewirkt aber eine menge.

Leider wird herr Sarrazin diese einladung nicht annehmen, weil er gerade andere termine hat. So muß der h4empfänger sein gammelfleisch selbst essen und sich der gefahr der lebensmittelvergiftung aussetzen. Diejenigen, die in armen verhältnissen aufgewachsen sind, haben oft nicht einmal das bewußtsein, daß sie mit derartiger nahrung ihre gesundheit ruinieren. Friedrich Engels hat bereits im vorvergangenen jahrhundert in seiner beschreibung der lage der arbeiter in England beklagt, daß den armen in jedem fall minderwertige nahrung angedreht wird, schon allein, weil sie ja gar nicht wissen können, wie gesunde und frische nahrung beschaffen sei.


Tag fünf

Am fünften tag läßt sich herr Sarrazin wieder völlig normal von seiner ehefrau bekochen.

Der h4proband stellt fest, daß über seine gammelfleischverwertungsaktion die verbliebene halbe gurke von tag eins schlecht geworden ist und der saft aus 1,5 liter getränkepackung merkwürdige fäden zieht. Ihn selbst ziehts eher kreidebleich zum klosett, weil der bullettenverzehr vom vortage nicht ganz ohne auswirkungen blieb.

Daß man mit antikem rinderhack selbst einen säbelzahntiger umbringen könnte, schrieb Henning Venske bereits in den frühen achziger jahren in einer kriminalgeschichte.


Tag sechs


Am sechsten tag bohrt herr Sarrazin gemächlich in seiner nase. Während er sich neue ernährungsmöglichkeiten für andere menschen ausdenkt, freut er sich auf das abendessen.

Der h4proband liegt krank im bett, nährt sich schlückchenweise von wasser, pfefferminz- oder hagebuttentee. Das ist das ernährungsideal der armen, das herrn Sarrazin offensichlich vorschwebt, er hält ein glas tee schließlich für eine vollwertige zwischenmahlzeit.

Was für den normalverbraucher eine »wassersuppe aus einem brühwürfel« ist, geht bei herrn Sarrazin als »suppe mit fleisch« durch.


Tag sieben


Am siebten tag konsumiert herr Sarrazin eine staatlich subventionierte mahlzeit in der senatskantine, obgleich er die subvention nicht nötig hat und sich ein restaurantessen zum regulären preis problemlos leisten könnte. Der h4empfänger ißt pellkartoffeln mit salz, dazu gibt es nichts, weil sich an den restlichen neun würstchen aus der großpackung vom dritten tag bereits maden gebildet haben und sich der h4empfänger als undankbar erweist und diese gratisproteinbeigaben verschmäht. Nachmittags gibts zwei äpfel, die nichts gekostet haben, weil er sie in einer kleingartenkolonie mitgenommen hat.

Zum glück hat es niemand bemerkt – der mundraubparagraph ist in Deutschland längst wieder abgeschafft worden, weil in diesem land niemand mehr hungere und somit der paragraph überflüssig sei.

Wenn man gar nichts hat, kann man ja einen totgefahrenen igel von der fahrbahn kratzen und bestimmt findet sich im senatskantinenmüllkübel noch der eine oder andere leckerbissen.

Oder man kann pilze suchen gehen. Herr Sarrazin würde dem arbeitslosen sicherlich den »champignon« mit den weißen lamellen und der dicken knolle unten dran emfehlen. Schon kaiser Claudius soll den in den höchsten tönen gelobt haben.

Dann wäre auch bald das arbeitslosenproblem gelöst.


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