Dienstag, 5. Februar 2013

Juhu! Fünf gründe für ein grundeinkommen! teil 3 und schluß

Hier geht es zu teil 1 und zu teil 2.
5. Wir müssen es wollen: Der alte Sozialstaat war ohnehin keine emanzipatorische Einrichtung
Wer hätte das gedacht?

Der alte Bismarck hatte bei der einführung der sozialversicherung und der sozialstaatlichkeit nicht die befreiung der arbeiterklasse im sinn. Das nenne ich eine erkenntnis! Und worauf kommt Werner Rätz?
Ich finde diese Perspektive auf  ein Ende der Vollbeschäftigung, auf eine Trennung von Arbeit und Einkommen höchst erfreulich. Es ist gut, dass es all die Produktivitätsforschritte gibt, die es uns ermöglichen, immer weniger Zeit mit Erwerbsarbeit zu verbringen. Es gibt so viele Tätigkeiten, die der Erwerbsarbeit vorzuziehen sind! Rationalisierung ist etwas Gutes, wenn sie zu mehr Zeit führt, über die wir selbst bestimmen können. Es fallen mir noch eine ganze Reihe von Arbeiten ein, die schwer, schädlich, schmutzig, stumpfsinnig sind und die doch bitte von Maschinen erledigt werden sollten.
Wie ich in teil 2 bereits schrieb, sind produktivitätssteigerungen nicht dafür gedacht, dem menschen das leben angenehmer zu machen, sondern um mehr profit zu erwirtschaften und in der konkurrenz besser dazustehen. Selbstverständlich ist es schöner, den eigenen interessen nachgehen zu können als gegen geld malochen zu müssen und mit der eigenen arbeit das eigentum anderer zu vermehren. So lange es lohnarbeit gibt, sind technische fortschritte nicht dafür da, den lohnarbeitern das leben zu erleichtern, sondern ihre arbeit für die unternehmer rentabler zu machen.

Ein grundeinkommen ändert nichts daran, daß am monatsanfang von arm zu reich umverteilt wird. Denn bevor man an den eigenen konsum denken kann, muß die miete gezahlt werden. Sich das grundbedürfnis nach einer wohnung zunutze zu machen bleibt weiterhin ein geschäftsmodell, das den mieter arm hält und den vermieter reicher macht. Und die umverteilung von arm zu reich hört nicht auf, selbst wenn man bescheidene konsumbedürfnisse hat, sich vom aldi ernährt, wird trotzdem mit jeder »pottkiekersuppe«, die man kauft die familie Albrecht ein kleines bißchen reicher und man selbst ärmer. Am prinzip, daß es »normal« ist, sämtliche menschlichen bedürfnisse für ein geschäft zu benutzen, ändert das grundeinkommen nichts.
Und es geht nicht nur um den Inhalt der konkreten Arbeit, es geht auch um den herkömmlichen Sozialstaat als gesellschaftliches Regulationsmodell: Ich will nicht zurück zu einem Staat, der über Arbeit reguliert, sortiert, Rangordnungen des Ansehens festlegt. Ich will nicht zurück zu einem (Fabrik)Arbeitssystem, das anpasst und zurichtet, damit die Beteiligten sich problemlos beherrschen lassen. Ich will nicht zurück zu einem Sozialstaat, der Anspruch auf soziale Teilhabe an die Unterwerfung unter diese Arbeitsreglementierung bindet, der Frauen, Kranke, Unangepasste ausgrenzt oder an einen männlichen Hauptverdiener und „Ernährer“ bindet.
Als erstes bedanke ich mich sehr herzlich dafür, daß frauen hier mit »kranken, unangepaßten« zusammengeschmissen werden. Dr. Schröder ist zwar ziemlich »krank«, beinahe so etwas wie eine »frau« - aber unangepaßt? Darüber könnte man streiten. Vielleicht ist es tatsächlich »unangepaßt« mit dreizehn jahren nicht für irgendeinen popstar geschwärmt zu haben, wie andere teenies das tun, sondern für Helmut Kohl - und sich dann mit mitte dreißig nicht mal ordentlich für seine »jugendsünden« zu schämen.

Den sozialstaat als »regulationsmodell« abschaffen zu wollen, wäre an sich eine gute sache. Aber nicht ohne gleichzeitig die kapitalistische wirtschaftsordnung abzuschaffen!

Wie soll denn ausgerechnet das bedingungslose grundeinkommen etwas daran ändern, daß das ansehen eines menschen durch das geld, das er verdient, geregelt wird, wenn es doch nicht die verhälnisse, in denen alles für geld gekauft werden muß, aufhebt? Daß man im idealfall den reichen etwas abknappst, damit die armen dann ein paar cent mehr auf tasche haben, ändert nichts daran, daß dies wirtschaftssystem bestens dazu geeignet ist, arme leute zu produzieren.

Es ändert auch nichts dran, daß das geld, das verteilt werden soll, durch lohnarbeit und profit verdient werden muß.
Nicht zufällig haben im Zuge des Aufbruchs Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts (nicht nur aber) vor allem Jugendliche massenweise freiwillig die Prekarität aufgesucht um dieser Reglementierung zu entkommen. Die alte emanzipatorische Sozialstaatskritik ist immer noch richtig, auch wenn sie im Zuge der neoliberalen Offensive zum Teil verschüttet wurde. Um nicht missverstanden zu werden: Was es an sozialen Errungenschaften und Reglungen gibt, muss verteidigt werden. Niemals dürfen wir unvollkommenes Vorhandenes aufgeben ehe wir etwas besseres Neues wirklich haben. Aber kämpfen sollten wir für ein solches Neues, nicht für das verlorene Alte.
Ein aufbruch mitte der 60er jahre? Was soll der bewirkt haben außer moralisch korrekter hungerleider und moralisch nicht ganz so korrekter karrierefritzen, die sich die moral der anderen zunutze gemacht haben?

Interessanter weise waren es genau diese figuren, die sich nicht scheuten, den sozialstaat zu weiten teilen zu demontieren.

Vermutlich, weil sie so wunderbar emanzipatorisch sozialstaatskritsch waren.
Und da wäre ein Grundeinkommen ein wichtiger erster Schritt. Es würde uns durch die Prekarität aller heutigen Lebensverhältnisse hindurch den Blick auf eine emanzipatorische Gesellschaft öffnen, in der Menschen nicht mehr vernutzt würden, sondern in Kenntnis ihrer eigenen Bedürfnisse und unter Nutzung ihrer eigenen Fähigkeiten ihre Lebenswelt selbstbewusst gestalten. Zu dieser Gestaltung würde dann selbstverständlich auch die Reproduktion es gesellschaftlichen Reichtums gehören. Werner Rätz (im Feb. 2005)
Ein grundeinkommen wäre kein schritt in richtung »emanzipatorische gesellschaft«, sondern eher ein schritt in richtung abgrund. Die sozialeren modelle sind wirtschaflicher unfug: Es hat doch keinen sinn, die leute erst für den profit, also den reichtum anderer, in diese scheiß tretmühle reinzuschicken, um dann einen sozialen topf aufzumachen, aus dem dann jeder was bekommt, damit die, die nichts erwirtschaften konnten nicht hinten runter fallen. Dann doch lieber gleich so wirtschaften, daß derartige schieflagen gar nicht erst entstehen.

Egal, welches modell man sich anschaut, das BGE ist kein verteilen von reichtum, sondern eine andere form von sozialstaatlichem armutsbewältigungsprogramm.

Und die wirtschaftsfreundlichen modelle bringen für die armen leute erst recht nichts, weil sie nur bewirken, daß der druck irgendeine bezahlte arbeit anzunehmen erheblich steigen wird - völlig ohne druck vom jobcenter.

***

Daß das sogenannte bedingungslose grundeinkommen irgenwas an den lebensverhältnissen verbessert, ist zweifelhaft. Ich habe mir dazu gelegentlich schon gedanken gemacht: Beispielsweise hier: bedingungslos blöd oder auch in meinem artikel sozialpolitik bizarr: H4empfänger aus Berlin fordert sozialprogramm für notleidende oberschicht! oder stell Dir vor es ist party... Ich habe ernsthafte zweifel, daß dieser weltverbesserungsplan für die leute, die verbesserungen am dringendsten brauchen könnten, positive auswirkungen hätte.

Es ist sehr gut nachvollziebar, wie man darauf kommt, für das BGE zu sein - gegen die zumutungen, denen derzeit arbeitnehmer wie arbeitslose gleichermaßen ausgeliefert sind, erscheint beinahe alles prima. Und aus diesem grund ist es wichtig, sich mit dieser schlauen idee genauer zu befassen.

2 Kommentare:

  1. Die Piraten sind für ein BGE. Dazu haben sie auch ziemlich konkrete Forderungen im Wahlprogramm. Wenn es dich interessiert, hier wird das schön anschaulich erläutert: http://hauptstadtpiraten.net/wp09-nachgefragt-bge-mit-andreas-pittrich/

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    1. Daß die piraten für ein BGE sind, spricht nicht für sie. Die forderung nach einem BGE ist das eingeständnis, daß es arme leute geben soll, die einer sozialen betreuung bedürfen.

      Was von deren forderung zu halten ist, habe ich hier bereits geschrieben.

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