Dienstag, 2. Oktober 2012

Nichts zum feiern


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Ein wenig schöner tag in der Deutschen geschichte und in der weltgeschichte überhaupt, ist der 3. oktober.

Vor 70 jahren gelang zum erstem mal der erfolgreiche start des »aggregat 4«, besser bekannt als V2 bzw. »vergeltungswaffe 2«.

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V2 rakete im Historisch-Technischen Museum Peenemünde, im hintergrund sieht man das kraftwerk, das eigens gebaut worden war, um die energie für die forschung und beginnende serienproduktion der raketen zu sichern.
Daß dies kein anlaß zum feiern sei, sah man 1992 in der Kohlregierung ganz anders.

Der parlamentarische staatsekretär des bundeswirtschaftministeriums Erich Riedl hatte die schirmherrschaft für die zum 50. jahrestag geplante feier im gerade erst zurückeroberten Peenemünde übernommen. Sie wurde nach protesten aus dem in- und ausland kurzfristig abgesagt.

Hier gibt es einen Spiegelartikel vom 5. oktober 1992 von Rudolf Augstein zum thema, in welchem eine ganze ladung unsinn vom »gerechten krieg«, den die Briten geführt hätten, steht.

In der nacht vom 17. auf den 18. august 1943 bombardierte die Britische luftwaffe den norden Usedoms - allerdings nicht die technischen anlagen in Peenemünde, sondern hauptsächlich die zwangsarbeiterbarracken, die sich südlich des ortes Karlshagen im Trassenmoor befanden. Rund 750 menschen überlebten dies nicht. Die allermeisten der toten waren ausländer, die dorthin verschleppt worden waren. Es lag nicht im interesse, die technik zu zerstören - die wollten sie im falle des sieges doch haben, also mußten die arbeiter dran glauben.
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Interessant ist in diesem zusammenhang selbstverständlich auch die rolle des späteren »bundesrepublikvorstehers« Heinrich Lübke, der sich als zentrumsorientierter steigbügelhalter später an nichts früheres erinnern konnte. Auf der oben gezeigten museumstafel wird verharmlosend davon gesprochen, der spätere bundespräsident sei für den »personaleinsatz« verantwortlich gewesen, auf Deutsch heißt das, er war verantwortlich für die dort eingesetzten zwangsarbeiter.
Die V2 gilt als die einzige waffe, deren entwicklung und produktion mehr todesopfer forderte als ihr einsatz. Die produktion soll zwölf- bis zwanzigtausend menschen das leben gekostet haben. Ihr einsatz achttausend.

Das sind mindestens zwanzigtausend zu viel.

Die stadt Antwerpen traf es besonders hart. Dank an Nadja, die hier und hier in ihrem blog bilder von der zerstörung der stadt gezeigt hat.
Im »goldenen westen« wurde immer so getan, als hätte die V2 überhaupt keine relevanz gehabt - als wäre es nicht eine furchtbare waffe gewesen, die ohne vorwarnung eingesetzt werden konnte. Der erfinder Wernher von Braun wurde später als der »vater der mondrakete« verklärt, die blutigen spuren, die nach Peenemünde führten, verwischt.

Und wer wußte im westen schon, wo ausgerechnet Peenemünde liegt?
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Fast friedlich sieht es aus, wenn man heute über die Peenewiesen wandert. Jedoch gibt es in Nordusedom auch 67 jahre nach kriegsende noch gebiete, die man besser nicht betreten sollte. Niemand weiß, welche giftstoffe womöglich in den bunkern, deren reste im bild zu sehen sind, lagerten.
All das ist grund genug, am 3. oktober nichts zu feiern.

1 Kommentar:

  1. treffend be- und angemerkt, liebe mechthild. dennoch: letzten 3.10. trank ich mit "koppi" vorm reichstag, diesmal bleibe ich im bett. will doch eh keiner was hören :-(

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