Sonntag, 20. März 2016

Juhu! Moderne sklaverei nur ein moralisches problem!

Alle jubeljahre kommt das thema auf, daß eben nicht unser wunderbares wirtschaftssystem, sondern das unmoralische konsumverhalten der menschen in den industriestaaten schuld sei am elend der menschen in den entwicklungsländern, die häufig von ihren löhnen noch weniger leben können, als das in den sogenannten »reichen ländern« der fall ist.

So auch in den vergangenen wochen wieder, denn die BWL-professorin Evi Hartmann von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg hat ein buch darüber geschrieben unter dem titel »Wie viele Sklaven halten Sie?« in dem sie die behauptung aufstellt, jeder von »uns« halte ca. 60 sklaven, um einem bequemen leben nachgehen zu können.

Das ist eine merkwürdige behauptung, denn der großteil der menschen in den industrienationen führt nicht gerade ein besonders bequemes leben.

Letzte woche hat die autorin dem WDR ein interview gegeben. Das 1€blog hat keine kosten und mühen gescheut, es der nachwelt zu erhalten und es in voller länge mitgeschrieben, damit es nicht ungehört oder ungelesen im archiv des WDR verschwindet, natürlich nicht unkommentiert:

Zitat moderatorin: »Wenn Sie, wie ich, kleidung tragen,nahrung zu sich nehmen, ein auto fahren oder ein smartphone haben, arbeiten derzeit ungefähr sechzig sklaven für Sie und mich. Diese these stammt von Evi Hartmann, BWL-professorin an der Universität Erlangen-Nürnberg und sie wendet sich in ihrem aktuellen buch zum thema ›Globalisierung und Moral‹ auch direkt an uns alle - ›wie fühlen Sie sich damit?‹ fragt sie. Der menschliche anstand läßt eigentlich nur eine antwort zu, ›schlecht‹ natürlich. Aber hand auf’s herz - fühlen wir uns wirklich schlecht, wenn irgendwo am anderen ende der welt jemand ausgebeutet wird, damit wir unsere konsumbedürfnisse befriedigen können? Da muß wohl ordentlich gerüttelt werden an unserer ignoranz und selbstzufriedenheit und das versucht das buch ›Wie viele Sklaven halten Sie?‹, steht in fetten roten lettern auf dem buchdeckel. Evi Hartmann, die autorin ist jetzt am telefon. Einen schönen guten tag, frau Hartmann.«

Zitat Evi Hartmann: »Hallo!«

Zitat moderatorin: »Müssen wir uns alle in grund und boden schämen?«
Es gibt keinen anlaß sich für etwas »in grund und boden zu schämen« wofür man nichts kann. Die normalen lohnarbeitenden menschen oder die arbeitslosen in den industriestaaten haben die verhältnisse, wie sie in der kapitalistisch organisierten welt sind, nicht so eingerichtet.

Und wenn sie sich dafür einfach mal schämen würden, daß die lohnarbeitenden menschen am anderen ende der welt noch beschissener dran sind als sie selbst, wäre denen damit nicht im geringsten geholfen.

Aber hören wir, was prof. Hartmann dazu zu sagen hat:
Zitat Evi Hartmann: »Ja, ich glaube, wir sind da alle eingeschlossen, wir sind da allle betroffen, wir sind da alle drin in diesem kreislauf. Ob als konsument, ob als produzent, ob als lieferant. Am ende sind wir mit verantwortlich...«
Nein. Keinesfalls. Wenn sich ein h4empfänger in Deutschland dafür schämt, daß er billigware aus Bangladesh kauft, bringt das der näherin dort kein essen und keine versorgung im krankheitsfall ein. Wenn er die ware nicht kauft, die er so nicht bestellt hat, sondern die hier so angeboten wird, weil die unternehmen mit seiner armut rechnen, geht es der armen näherin definitiv an den kragen. Dann verliert sie ihren scheißjob und damit ihre armselige existenz, weil es dort leider keine unterstützung für arbeitslose gibt.

Egal, wie man seinen konsum ausrichtet. Man kann es immer nur falsch machen.
Zitat moderatorin: »Und warum schämen wir uns so wenig und ändern nichts?«
Weil wir daran erst einmal nichts ändern können. Und es den armen menschen in den entwicklungsländern leider auch kein brot einbringt, wenn wir uns schämen würden.

Schämen könnten wir uns höchstens dafür, daß wir es uns gefallen lassen, uns selbst ausbeuten zu lassen.
Zitat Evi Hartmann: »Das ist genau die fragestellung im buch, die ist, warum denke ich darüber nicht nach, warum ist moral keine fragestellung? Und das fängt auch wieder an beim konsument, der das credo ›geiz ist geil‹ vor augen hat und immer günstiger einkaufen will, dann haben wir im prinzip in den unternehmen die einkäufer, die druck von ihrem chef kriegen, einkaufsoptimale bedingungen, einkaufssavings, einsparungen zu realisieren. Dann haben wir die produzenten, die anlagen auslasten wollen und am ende wird der druck weitergegeben, wenn wir jetzt bei der textilbranche bleiben, bis hin zu den näherinnen in Bangladesh, die ohnehin schon zu einem hungerlohn arbeiten und dann noch günstiger arbeiten müssen. «
Das mit der moral ist eine extrem schäbige sache. Da läßt man die armen auf dieser seite der welt für einen lohn malochen, der gerade mal dafür ausreicht, daß sie ihre bedürfnisse auf dem untersten niveau mit artikeln von der anderen seite der welt befriedigen können und wirft ihnen obendrein auch noch vor, daß das unmoralisch wäre.

Welcher konsument ist denn mit dem slogan »Geiz ist Geil« an den markt herangetreten?

Überhaupt keiner. Das war der werbeslogan einer elektromarktkette, die die armut der hiesigen menschen ansprechen wollte.

Es ist eine verdrehung von fakten, wenn aus der materiellen armut, das leben mit billigartikeln auf niedrigstem niveau fristen zu müssen, »geiz« wird, der angeblich anderen das leben gründlich versauen tät.

Als professorin, die jeden monat ein ordentliches gehalt auf dem konto begrüßen darf, kann man selbstverständlich leicht über die schweine urteilen, die über jeden pfennig nachdenken.
Zitat moderatorin: »Würden Sie denn sagen, daß markt und moral aber prinzipiell zusammenpassen oder sind das doch zwei verschiedene welten die gehen nicht miteinander?«
Das sind zwei verschiedene sachen. Und eine wie die andere widerlich.
Zitat Evi Hartmann: »Ich glaube, das sind schon ... die hängen in einem system aber die haben verschiedene ausrichtungen. Das eine ist wirklich die fragestellung, was sind die kosten, wie optimiere ich die, wenn ich aus unternehmenssicht da draufschau? Und andererseits, was ist der nutzen? Das sind zwei fragestellungen, die einen konflikt erwirken, der aber vielleicht lösbar ist. Der durch kleine schritte lösbar ist. Nur bisher ist ja die fragestellung nach der moral gar nicht inkludiert in nem meßsystem, der einkäufer, der einkaufersparnisse realisieren muß, hat ja gar nicht zum ziel moralischer zu handeln.«
Na ja eben, der einkäufer hat »moralisches handeln« nicht zum ziel. Und das aus gutem grund.

Kleiner hinweis: der grund ist nicht der »geiz« der hiesigen lohnarbeiter.
Zitat moderatorin: »Und wenn das über den weg läuft, daß mittlerweile nachhaltiges wirtschaften vielleicht für eine gewisse klientel tatsächlich ein verkaufsargument sein könnte? Funktioniert das auf dem weg oder ist das zu dürftig?«
Das ist allerdings dürftig und funktioniert nicht, weil es allerhöchstens eine »gewisse klientel« anspricht, die es sich leisten kann oder möchte, sich vom drückenden schlechten gewissen ein klein wenig freizukaufen.
Zitat Evi Hartmann: »Das ist ein erster schritt, ich seh die fragestellung so klar, als uniprof würde man immer so ganzheitlich optimieren wollen, das ist vielleicht zu schwierig und das es dauert auch zu lang und kleine schritte sind eben ein weg dahin. Kleine schritte können schon etwas bewegen. Auch bei beispielhaften unternehmen, die, äh, die es ja gibt. Es gibt ja genug ›best practices‹, die zum beispiel den ›living wage‹, also das gehalt an die näherinnen in Bangladesh zahlen, die den lebensunterhalt sicherstellen, es gibt ja beispiele, die sich da ordentlich verhalten.«
Kleine schritte wohin? Der begriff »living wage« zeigt, wie schäbig die angelegenheit ist: es geht nicht darum, den menschen ein anständiges leben zu ermöglichen, sondern bloß um ein lohn, der die armen leute am anderen ende der welt ganz sicher im hamsterrad hält, um die kapitalisten auf dieser seite der welt ordentlich satt zu bekommen.
Zitat moderatorin: »Hat die moral im geschäftemachen auch etwas zu tun mit der eigenen unternehmenskultur? Sehen Sie auch da zusammenhänge?«
Zur »unternehmenskultur« gehört nun einmal das gewinnmaximieren und das steht ohne zweifel in direktem zusammenhang mit der armut an jedem ort auf der welt.
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Ende des ersten teils. Teil zwei enthält, was frau Hartmann dazu gesagt hat und eine sehr gute frage der moderatorin, die mir namentlich leider nicht bekannt ist.

7 Kommentare:

  1. Danke. Wir brauchen mehr von solchen Analysen.

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  2. Jetzt muss man sich auch nicht wundern, dass der gemeine Hartz-IV-Bezieher sauer wird und die AfD wählt oder gar Brandsätze auf Asylbewerberunterkünfte wirft. Da konsumiert er tagein, tagaus fleißig die zu wohlfeilen Preisen auf den Mark geworfenen Güter selbstlos, um den Menschen in aller Herren Ländern das Überleben zu sichern - hält quasi über mehr als ein Jahrzehnt die Füße still, rebelliert nicht, sondern konsumiert zähneknirschend den Billigschrott. Und was macht die unverschämte Mischpoke? Verlässt ihre von „uns“ subventionierten Arbeitsplätze, um hier von unseren Tellern zu fressen; wo „wir“ selbst schon nicht genug haben.

    Und jetzt kommt dann noch eine besonders Schlaue daher und meint „uns“ den Spiegel vorhalten zu dürfen. Geht's noch? Brav haben „wir“ das Hartz-IV-Regime ertragen, „uns“ täglich zu diversen Billigjobs geschleppt, wenn man „uns“ ließ. Aber klar doch, jetzt sollen „wir,“ die Anständigen und Gehorsamen, auch noch Mitschuld am Elend dieser Welt haben. Jetzt hört aber auf. Wie Opa keine Schuld am Tausendjährigen hatte, haben „wir“ keine Schuld an der Sklaverei unserer Zeit.

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    1. Im obenstehenden text ging es ausnahmsweise mal nicht um die AfD, weshalb Dein kommentar am thema vorbei geht. Auch der vergleich mit dem Tausendjährigen Reich ist hier fehl am platz. Nächstes mal bitte zur sache, sonst komme ich mir vor als hätte ich es mit Pawlows hunden zu tun.

      Weil Du aber so schön demonstrierst, wie man gruppenspeziefische ressentiments ausbreitet, lasse ich das mal so stehen. In dieser hinsicht stehst Du den asylantenheimzündlern nichts nach.

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    2. Ich mag gar nicht weiter darauf herumreiten, aber merken Sie nicht, wie Sie dem Sklavenhalter das Wort führen? Folgt man Ihrer Argumentation, dass durch den Konsumenten überhaupt erst die Fortexistenz des Sklaven gesichert ist und er ohne die Verwertung seines Produkts dieser eben beraubt wäre, muss selbstverständlich auch der Sklavenhalter als Wohltäter gewürdigt werden. Denn ohne diesen, weil im Besitz der Produktionsmittel, wären die Versklavten gar nicht in der Lage überhaupt zu produzieren. Ja, er ist nach dieser Lesart damit gleich doppelt ein Wohltäter. Zum einen sichert er die Existenz seines Personals, zum anderen ermöglicht er den monetär schlechter gestellten Bevölkerungsgruppen beispielsweise Europas erst die soziale Teilhaben, wenn nicht gar auch deren Existenzfähigkeit durch günstige Preise für seine Produkte. Würde genau dieser Sklavenhalter sich Ihrer Argumentation bedienen und die Distanzierten an einem Ende der Welt gegen die Distanzierten am anderen Ende der Welt in Stellung bringen, ich möchte Ihren Aufschrei hören.

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    3. Die Sie-form ist hier in kommentaren eher unerwünscht, weil es hier so formell nicht zugeht und ich das nicht als sachdienlich betrachte, aber meinetwegen.

      Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, über welchen text Sie referieren, über meinen jedenfalls offensichtlich nicht.

      Ich soll den »sklavenhaltern« das wort reden?

      Den Begriff »sklavenhalter« tät ich in diesem zusammenhang ohnehin erst einmal in frage stellen. Das habe ich im obenstehenden text tatsächlich versäumt.

      Zur sache, begründen Sie Ihre behauptungen aus meinem text. Das sollte ja wohl ein leichtes sein!

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  3. Aloha Mechthild,

    die Moderatöse ist dir namentlich nicht bekannt.Nun denne,
    da du nie Kosten und Mühen scheust, hab' ich's dir mal gleich getan,
    und mich auf Recherchereise begeben, und mich mal virtuell ins Büro
    vom WDR begeben.

    Da stieß ich dann auf folgende Dame:

    http://www1.wdr.de/radio/wdr3/ueber-uns/katja-schwiglewski-100.html

    Katja Schwiglewski also.Verriet mir der zuständige Redakteur Richter.

    Kannst das hoffentlich brauchen.


    lg
    Hagnum


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