Dienstag, 23. Mai 2017

Erfrischend neues von der freiheit

Fortsetzung

Ein streitgespäch mit frau Prof. Dr. Anke Hassel von der Hans-Böckler-Stiftung, Michael Bohmeyer vom verein Mein Grundeinkommen e.V. und hörerbeteiligung, moderiert von Matthias Hanselman vom Deutschlandfunk Kultur.

Und natürlich darf das unvermeidliche nicht fehlen. Die freiheit:
Zitat hörerin aus Augsburg: »Ich begrüße die idee als solche, weil sie einen absolut herausfordernden paradigmenwechsel anstoßen muß, wenn es um sachverhalte geht wie gesellschaftlicher zusammenhalt und menschenbild. Ich würde mich jedenfalls darüber freuen, endlich mal wieder etwas zu haben was schier unbezahlbar ist, nämlich freiheit. Die freiheit meine kräfte, meine expertise dort einzusetzen, wo ich sie verantwortungsvoll einsetzen will. Das scheint mir genau der knackpunkt zu sein, wir können und wollen mit einer solchen freiheit nicht umgehen, wir reklamieren sie für uns, wenn wir haben. Wenn wir um unseren besitz fürchten, endet unser solidarisches denken genau an dieser stelle.«
Leider stehe ich vor dem rätsel, was diese vielbeschworene »freiheit« eigentlich sein soll und wer dieses »wir« ist, das mit dieser tollen sache nichts anzufangen wüßte. Wobei eines ganz gewiß ist: mit dem BGE bleiben die lohnarbeiter, die man heute normalerweise als »arbeitnehmer« bezeichnet, doppelt frei: sie sind nicht das eigentum von irgendjemandem und sie haben kein eigentum, weshalb sie mit ihrer »freiheit« kaum etwas besseres anfangen können, als lohnarbeiten zu gehen.

Das ende des sozialstaates, wie wir ihn bisher kennen, wird die menschen ganz bestimmt nicht dazu bringen solidarisch zu denken, sondern sie in eine noch härtere konkurrenz zwingen.
Zitat hörer aus Erfurt: »Ich finde die diskussion ziemlich interessant. Weil der herr Bohmeyer und die frau Hassel für diese zwei wirklich extrem verschiedenen sichtweisen sind und die frau Hassel die alte zeit symbolisiert und der Herr Bohmeyer mit seinen denkansätzen und seinen äußerungen für mich wahnsinnig modern ist. Das finde ich sehr erfrischend. «
Die äußerungen zum BGE sind so modern und erfrischend, wie sozialabbau nur sein kann. Nach der einführung von h4 wehte auch ein anderer nämlich frischerer wind. Der wurde von den millionen betroffenen als soziale kälte wahrgenommen.
Zitat Anke Hassel: »Ich finde die diskussion um das grundeinkommen ist eine scheindiskussion und auch eine scheinmodernität [...] Ich merke ja in reaktionen, wenn ich mich dazu äußere, wie emotional menschen darauf reagieren. Also da ist ja irgendwas. [...] Es ist ein sehr einfaches instrument, für einen sehr komplizierten sachverhalt, wenn man sagt, ja, das ist modern, das ist radikal, natürlich - es wirkt sehr radikal [...] letztlich finde ich das weder modern noch wirklich innovativ, weil es die probleme, die jeden tag gesellschaftlich bei uns anlanden in eine zeit versetzen, die irgendwo in der utopie sind [...] modern fände ich, wenn wir uns überlegen, wo sind denn wirklich die probleme in der gesellschaft sind [...] Die befürworter des grundeinkommens sprechen immer davon, daß die menschen angst vor neuem haben, sie sind angstbehaftet. Ich erlebe meine umwelt gar nicht so.«
An sich ist es verständlich, warum menschen das grundeinkommen gut finden. Geldmangel ist leider kein phänomen, das nur am unteren rand der gesellschaft vorkommt, das ist bis weit in die mittelschicht verbreitet und da ist es durchaus nachvollziehbar, daß menschen, die eigentlich von ihrem lohn recht gut leben können, ein zusätzliches einkommen begrüßen würden. Auch ist es verständlich, daß leute das h4system leid sind und alles besser finden, was irgendwie ein ausweg aus dieser misere sein könnte.

Insgesamt scheint die grundeinkommensbefürwortung eher aus dem bauch als aus dem verstand zu kommen. Was sind denn die paar kröten BGE wert, wenn man 50% konsumsteuer auf alles bezahlen muß?

Sind nicht z.b. kostenlose kindergartenplätze, krankengeld und andere sozialleistungen, die man in anspruch nehmen kann, wenn man sie braucht, mehr wert?

Von mir zumindest kann ich sagen, daß ich keine angst vor neuem habe, ich kann mir sogar ein wirtschaftssystem vorstellen, in dem der warentausch komplett abgeschafft ist und die produktion entsprechend nicht auf den geldgewinn, sondern auf die bedürfnisse der menschen ausgerichtet ist.

Aber das wäre dann kommunismus und an so was darf man nicht einmal denken, weil das mit der oben beschworenen »freiheit«, frei zu sein, zu tun was man unter sachzwang muß, leider gar nicht zusammenpaßt.

11 Kommentare:

  1. "[...] ich kann mir sogar ein wirtschaftssystem vorstellen, in dem der warentausch komplett abgeschafft ist und die produktion entsprechend nicht auf den geldgewinn, sondern auf die bedürfnisse der menschen ausgerichtet ist."
    Sehr gut! Ich bin ein Kommunist :-)

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    1. Du bist kommunist? Sehr gut! Gibt es leider nicht viele.

      Was ich an diesen BGEmenschen nicht verstehe, ist, daß die sich vorstellen, alle menschen mit ausreichend tauschmitteln auszustatten, damit sie gut leben können. Aber da ist der schritt mit dem tausch doch blödsinn, oder etwa nicht?

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  2. Ja das wusste ich bisher selber nicht, bis ich deine Definition davon gelesen habe (s.o.) und mich darin wiederfand :-D

    Der Idee eines BGE stehe ich aber nicht so kritisch gegenueber, besser waere m. b. M. n. jedoch eine Moeglichkeit die gesellschaftliche/kulturelle (und was ich in den fruehen Morgenstunden noch vergessen haben sollte) Teilhabe zu sichern/ermoeglichen, sowie eine Absicherung, die keinen finanziellen Aufwand in Form von Vorschuessen erfordert (Versicherungen).

    Ich koennte stundenlang darueber philosophieren und mir ein gesellschafts- und "Versorgungsmodell" erdenken bei dem jeder beste Voraussetzungen vorfindet um sich persoenlich weiterzuentwickeln und nicht vom Rad der Wirtschaft getrieben wird.

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    1. Wenn man sich ein gesellschaftssystem ohne warentausch denkt, in welchem die produktion auf die bedürfnisse der menschen ausgerichtet wäre, benötigt man kein BGE, weil geld als tauschmittel überflüssig wäre. Alle, die können, beteiligen sich an der produktion, damit es am schluß für alle etwas gibt.

      Benötigt man versicherungen, wenn die existenz nicht dauernd in frage gestellt wird? Wenn das haus von einem erdbeben zerstört wird, benötigt man kein geld, das im zweifel ohnehin nicht reicht, sondern helfende hände, die es wieder aufbauen - und davon gibt es genug.

      Die heutige ideologie beinhaltet, daß der mensch sich nur durch wirtschaftliche nötigung zur weiterentwicklung zwingen ließe. Ich denke hingegen, daß die menschheit so beschissen nun auch wieder nicht ist, daß man sie durch zwang ändern müsse.

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    2. Eine Schwester im Geiste :-) Ganz genauso sehe ich das auch!

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  3. Geld hat noch viel mehr nützliche Eigenschaften, seine Funktion als Tauschmittel ist nur die offensichtlichste. Und daher wird man es auch nicht abschaffen.

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    1. Richtig.

      Geld hat sehr viele äußerst nützliche eigenschaften. Die nützlichste dürfte die ausschlußfunktion sein. Ohne geld bekommstu nichts. Das hat die nützliche folge, daß die einen die anderen zur arbeit gegen geld zwingen können, man mit geld leben kann. Und die nicht benötigten ohne geld vor vollen kornspeichen verhungern dürfen.

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  4. Ok, der Sarkasmus in meinem Kommentar war wohl nicht deutlich genug gekennzeichnet.

    Für Menschen, die genug davon besitzen, ist Geld Macht, Legitimation, Waffe und Rüstung zugleich. Und Sex. Sehr viel Sex.

    Für alle anderen ist es hauptsächlich Tauschmittel. Die meisten Menschen auf dieser Welt haben gar keinen Schimmer, welche Funktionen Geld erfüllt, und wie gefährlich es in unserem System ist. Daher versteht auch keiner, warum man es abschaffen sollte.

    LG

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    1. Man lernt doch schon im kindergarten, daß geld ein nützliches ding ist, weil man gegen geld ein eis bekommt. Darüber, daß es doch schöner wäre, auch ohne geld eis zu bekommen, darf man gar nicht erst denken, denn »dann würdest Du endlos eis essen wollen«, was natürlich glatt gelogen ist, denn endlos eis zu essen, hat bisher noch niemand geschafft, auch das gierigste blag nicht. Endlos braucht man immer nur von dem einen: Geld.

      Ich denke, daß man die endlichen bedürfnisse des menschen durchaus in den griff bekommen könnte. Das endlose bedürfnis nach geld leider nie.

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  5. Völlig richtig. Das liegt aber eben in der Natur der Sache: Geld ist das einzige Gut auf der Welt, dessen Qualität einzig und allein durch seine Quantität definiert wird. Die ganze Misere beginnt bereits mit dem Erhalt des ersten Sparschweins im Kindesalter. Was gerade in der jetzigen Zeit ziemlich skurril ist, weil es für Sparer ja kaum noch Zinsen gibt. Den meisten Menschen ist der Zusammenhang zwischen Leitzins und Aktienmarkt in keinster Weise klar: Würde man die Zinsen wieder auf das Niveau der 90er Jahre anheben, würde uns die gesamte Aktienblase (die derzeitig ein geschätztes Volumen von 700 Bio. Dollar hat) gnadenlos um die Ohren fliegen.

    Und der besondere Irrwitz daran ist, dass Geld nur ein Wertversprechen darstellt. Im Krisenfall ist dieses Versprechen keinen Pfifferling mehr wert. Und unser heutiges Geld taugt nicht mal mehr als Heizgut, es besteht ja zum Großteil nur aus Plastik.

    Ein schönes Zitat von E.A. Rauter:
    „Wir brauchen keine Arbeitsplätze, wir brauchen Schuhe, Nudeln, Betten, Wohnungen, Musik und Kartoffeln, Anzüge und Würste, Badewannen und Artischocken, Haarnadeln und Rotwein, Kopfschmerztabletten und Lastwagen, Bilder, Bücher und Brot.“

    Der Begriff "Arbeitsplatz" meint Erwerbsarbeit, und kann auch einfach durch den Begriff "Geld" ersetzt werden...

    Das ganze Konstrukt "Kapitalismus" ist in seinem Kern dermaßen grotesk und inhuman, dass es mich wirklich wundert, wie man es weiterhin schafft, diesen Kern vor der Bevölkerung erfolgreich zu verschleiern und zu maskieren. Die Menschen glauben mit aller Inbrunst an dieses System, das erlebe ich jeden Tag... und gleichzeitig wird über die Auswirkungen des Systems gejammert. Völlig schizophren, diese Gesellschaft.

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    1. Schönes zitat von Rauter. Man will gebrauchswerte haben und es ist tatsächlich eine merkwürdigkeit, daß es den meisten so schwer fällt, sich vorzustellen, all das ohne den umweg über zwang zur erwerbsarbeit und geld verdienen herzustellen. Als wären die sachen, die man am ende hat, nicht anreiz genug, was zu tun.

      Geld war schon immer bloß ein wertversprechen, auch als man noch z.b. salz oder gold als geld verwendete - auch wenn damals ein gebrauchswert offensichtlicher war als heute. Unser heutiges geld besteht hauptsächlich aus einem reißfesten baumwollpapier, das kann man vielleicht noch als textiltapete an die wand kleben oder aus den fasern eine wärmedämmung für die wohnung basteln. Der größte teil des geldes heutzutage ist allerdings physisch nicht einmal vorhanden, sondern existiert nur als zahl in den bilanzen - es ist also ausschließlich wertversprechen. Und für so ein »ding«, das nur aus dem versprechen besteht, daß man für geld was kaufen kann und das jederzeit gebrochen werden könnte, macht sich so ziemlich die gesamte menschheit krumm.

      Das mit dem sparschwein im kindesalter hat mit der geldanlage gegen zinsen erstmal nichts zu tun: damit lernt man erstmal, daß geld ein ganz tolles wertaufbewahrungsmittel ist: Du mußt nicht sofort alles verfressen, Du kannst heute verzichten und wenn Du das öfter tust, Dir später was besonderes leisten. Dann kommt der übergang zum sparen gegen zinsen, das jeden kleinstsparer zum »kapitalisten« macht: Dein zurückgelegtes »arbeitet« für Dich. Momentan auch nicht so wirklich. Man benötigt die einlagen der normal- und kleinverdiener um die wirtschaft mal wieder blendend ausehen zu lassen.

      Nein, diese gesellschaft ist keineswegs schizophren, sie ist einfach nur kapitalistisch, mit einem sich auflösenden sozialen überbau, den man für eine sondersituation des kapitalismus benötigte. Und die leute beklagen sich darüber, daß der kapitalismus so langsam wieder »normal« wird.

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