Mittwoch, 10. September 2014

Bibelstunde mit der ZEIT

In der politischen debatte »von feinden umzingelt« ist in der ZEIT unter dem titel »freiheit ist nicht alles« ein beitrag des US-Amerikanischen geisteswissenschaftlers Mark Lilla erschienen.

Es beginnt mit einer kritik am freiheitlichen dogma, landet jedoch schnell einer einer art religiöser abhandlung, so daß man den eindruck bekommt, es hier nicht mit einem wirtschafts- und politikwissenschaftler zu tun zu haben, sondern mit einem pfaffen. Während die linken in gewisser weise die wiederkehr des heilands erwartete, sei die geschichte der rechten so etwas wie die mischung aus der legende vom Golem und der Johannesoffenbarung. Die revolution »ein wunder«, die konterrevolution »die wiederherstellung der natürlichen ordnung«.

Für herrn Lilla sieht die welt aus, als ob die revolutionen der geschichte aus heiterem himmel hereingebrochen wären und nicht aus sozialen notständen. Und als hätte die besitzende klasse nicht mit gewalt ihre materiellen privilegien zurückgeholt, deren besitz sie als ihren »rechtmäßigen« betrachtet. Das ist für ihn die wiederherstellung »natürlichen ordnung«. Als könne an einer staatlich erzwungenen eigentumsordnung irgendwas »natürlich« sein oder als ob »natürlich« ein argument dafür sein könnte.

Der marxismus sei von einer sekte zu einer globalen macht aufgestiegen, dadurch sei für die romantische rechte das »antlitz des antichristen sichtbar« geworden und damit der faschismus erklärt. Es ist kaum verwunderlich, daß pfäffische figuren das gern glauben. Erklärt ist damit nichts.

Angeblich habe die revolution nach dem Zweiten Weltkrieg eine »pilgerreise« unternommen und habe die Dritte Welt im kampf gegen imperialismus erreicht, jedoch »schließlich kam Kambodscha. Die musik verstummte.«

Woher »kam« Kambodscha und wohin ist es gegangen? Die ereignisse dort sind nicht einfach »irgendwie« gekommen. Die USA, denen die politik des landes mißfiel, mischten sich in die inneren angelegenheiten des landes, das drohte sozialistisch zu werden, ein.

Die große überraschung sei, daß nach dem ende des Kalten Krieges die demokratie keine fortschritte erzielt habe, sich stattdessen theokratien breit machten.

Ist das denn ein wunder? Waren es nicht die USA, die bereits während des Kalten Krieges alles taten, demokratisierungsprozesse zu unterbinden, damit da nicht die »falsche form« von demokratie, nämlich vielleicht eine sozialistische, rauskäme?

Im Iran gab es in den frühen 50er jahren eine demokratisierungsbewegung. Die USA waren maßgeblich daran beteiligt, die regierung zu stürzen. In Afghanistan gab es in den 70er jahren die bestrebung nach gesellschaftlicher erneuerung. Die USA unterstützten die religiösen fanatiker mit waffen, um das zu unterbinden.

Im denken, wie herr Lilla es repräsentiert, gibt es keine alternativen, sondern nur die art von »freiheit«, wie sie im US-Amerikanischen denken vorzukommen hat. Daß »freiheit« im denken anderer vielleicht gar kein wert sein könnte, oder sich jemand mit einer anderen weltanschauung in einem anderen system viel »freier« fühlen könnte, kommt für den gar nicht in die tüte.

Stattdessen die frage, ob denn nicht alle völker gut regiert und in fragen, die sie betreffen, beteiligt werden wollten und der armut entfliehen. Wer unterbindet es denn ständig, daß die völker selbst definieren, was sie unter »gutem regiert werden« verstehen?

Die zweite frage wäre, warum ein volk oder der mensch als individuum überhaupt eine herrschaft über sich wollen sollte. Um ein gutes leben zu führen, ist eine regierung, die einem die lebensbedingungen aufherrscht, doch das letzte das man braucht.

Stattdessen glaubt Mark Lilla, daß der nächste friedensnobelpreis an einen vergeben werden solle, der ein modell der »verfassungsmäßigen theokratie« entwickelt. Damit religiöser wahn mit »guter« regierungsführung verbunden werden kann.

So viel geballten blödsinn liest man nicht alltäglich. Nicht einmal in der ZEIT.

6 Kommentare:

  1. Allgemein zur ZEIT.

    Nach der Bundestagswahl 2009 titelte die ZEIT:

    Unsere 3 klügsten Politiker.

    Abgebildet waren Rösler,Guttenberg und Röttgen.

    Eine originelle und mutige Behauptung.

    Mittlerweile ist die ZEIT nur noch Zeitverschwendung.

    Dem Doppelwähler di Lorenzo bei der EU-Wahl sei Dank.
    (Ich habe als deutscher Staatsbürger im Rathaus in Hamburg gewählt,und dann nocheinmal im italienischen Konsulat,weil ich doppelte Staatsbürgeschaft habe.)

    Seine Zeit kann man besser vertun,als mit Don Giovanni.Die eitle Selbstinszenierung dieses Gecks ist nur noch albern.

    lg
    Hagnum

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    1. Gekauft habe ich mir schon ewig keine ZEIT mehr. Das war früher mal eine eher linksorientierte bleiwüste, die den weg aller ehemals linksliberalen bürgerlichen blättchen gegangen ist.

      Beim oben besprochenen text dachte ich »das kann doch nicht wahr sein«. Da wird dermaßen klischeeüberladen die weltsicht aus neokonservativer sicht mit derart übertriebenen mitteln dargelegt, daß man meint, es mit satire zu tun zu haben. Der mottenpulver gepuderte knispel, der da schreibt, meint das aber offensichtlich jedoch ernst. Das ist verrückt.

      Die eitelkeiten des Lorenzojones sind mir reltativ egal. Angeblich sollte dessen doppelwählerei doch ein nachspiel haben. Gehört habe ich seit dem nichts mehr davon. Ob da wohl noch was kommt?

      Liebe Grüße

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  2. Aufgrund meines Minijobs ist es mir möglich, zumindest ab und zu mal einen kurzen Blick in die Printausgaben von "Spiegel" und "stern" zu werfen. Dieser kurze Blick reicht denn auch schon mehr als hin. Aktuelles Beispiel: Im "stern" von gestern ein seitenlanger "Hoch-soll-er-leben-Bericht" über unseren Bundespfaffen mit Absatzüberschriften wie "Er wollte ein unbequemer Präsident sein und ist es auch geworden", "Er liebt dieses Land über alles " und "Er hat ein großes Herz". Das hat mir vollauf genügt und darum wurde das Heft schnellstzens wieder zugeklappt...

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    1. Im gedruckten »Spiegel« sind gelegentlich sogar vernünftige artikel. Allerdings passiert es, daß man bei dem haufen mist, der sonst drin steht, die lust verliert und das heft zuklappt, bevor man sie gefunden hat.

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  3. Diese Formel ist nicht nur in Amerika, schon immer und, zunehmend, in Gebrauch.
    Links=sozialistisch=faschistisch/Hitler .. etc.
    Ich kann mir Diese taeglich, widerum nicht nur in Amerika, von der Strasse bis in Regierungen/Oppositionen reinziehn. Alleine dadurch wird einem die Wahl/das Waehlen nahezu unmoeglich.
    Genau diese Verdrehungen historisch/gegenwaertiger Fakten/Tatsachen, kommt dann ausgerechnet, zu 100% von xeno'homo .. sonstigbeschissen phoben, schwerst theokratisch angehaucht, neokonservativliberalen Asozialen jeglichsten Kalibers, denen der faschistische Mantel wesentlich besser passt.

    Nicht ungaublicherweise befinden wir uns gerade eben wiedermal und uebler denn je zuvor auf einem irrsinnig destruktiven Pfad, auf welchem der Rest des Planeten, ausserhalb der westlichen Allianz+einer Handvoll ebenso extreme radikal'Alliierter, bekriegt wird.
    Inter/Nationale Rechte/Gesetze/Diplomatie/Buerger'Voelker'Menschen-Rechte ..... treten ausser Kraft. Waffen/Krieg-Importe fuer ALLE im Namen von Frieden, Freiheit, Reichtum, Gerechtigkeit, Religion, etc. ... lassen selbst die groessten Arschloecher den Ueberblick verlieren. The West against the Rest.
    Ein weiteres trauriges Kapitel chronischbeschissener Arschloecher.

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    1. Die totalitarismustheorie, die besagt daß links gleich rechts sei, wurde u.a. von Austrians wie von Hayek in die welt geschissen, damit die linken auf alle zeit diskreditiert sind und immer mit der Hitlerei in einen topf geworfen werden. Und niemand auf die idee kommt, daß der faschismus den grundbürgerlichen lebensideen leider sehr ähnlich ist.

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