Montag, 16. September 2019

Verbieten erlaubt?

Etwas erstaunt hat mich Robertos aktueller text im ND. Auf den eigentlichen inhalt komme ich gleich noch zurück, aber was mich so sehr verwunderte war folgendes:
Zitat Roberto:»Die Haltung, die man speziell in der deutschen Industriepolitik spürt, wenn sich Bundesgesundheitsministerin Julia Klöckner (CDU) [...]«
Wo ist Jens Spahn geblieben? Nicht, daß ich ihn sonderlich vermissen würde, aber wenn Julia Klöckner plötzlich nicht mehr landwirtschafts-, sondern gesundheitsministerin ist, muß Spahn doch irgendwo abgeblieben sein. Ich geb’ zu, daß ich in den vergangenen tagen nachrichtenmäßig nicht übermäßig viel mitbekommen habe, weil ich momentan ziemlich mit arbeit zugeschüttet bin. Daß Manuela Schwesig aus gesundheitlichen gründen ihr amt als ministerpräsidentin niedergelegt hat, habe ich mitbekommen. Aber Spahn einfach so weg und gegen Klöckner ausgewechselt? Glaube ich nicht - weiß jemand genaueres?

Und dann folgt der sermon, daß die GRÜNpartei ja gar nicht so ist und eigentlich einige sachen verboten gehörten. Bei den GRÜNEN geht es doch immer nur um die bürgerliche empörung, völlig ohne den willen, irgendwas zu ändern. Die sorgen halt gern für heiße luft. Erinnert sich noch jemand an die 90er jahre, als die Grünpartei forderte, daß der liter benzin 5 mark kosten müsse oder an die damalige diskussion ums 3-liter-auto? Nichts davon ist passiert. Trotz GRÜNer regierungsbeteiligung oder vielleicht auch gerade wegen GRÜNer regierungsbeteiligung, denn was ist schon ein bißchen umwelt gegen ein pöstchen im aufsichtsrat?

Muß man das fliegen verbieten? Nein. Es wäre doch interessant, wie viele leute noch fliegen wollten, wenn man nichtfliegern 60 arbeitstage gesetzlichen urlaub zugestehen würde. Klar, es gibt leute, die sind unabkömmlich. Und wer so wichtig ist, darf weiterhin das flugzeug benutzen. Alle anderen können sich überlegen, ob sie anstatt flugreisenirrsinn lieber mehr freizeit genießen möchten.

»Veggie-day« in kantinen? Ja. Und zwar jeden tag. Nicht anstatt des menüs mit fleisch, sondern als alternative dazu. Leider schmeckt das vegetarische essen in kantinen meist wie schmatzkatz am stiel, weil den meisten kantinenköchen nichts besseres einfällt als milchreis mit zimt und zucker oder griesbrei mit backpflaumenkompott und lauter so'n zeug. So etwas ißt doch niemand, der halbwegs bei trost ist. Wahrscheinlich gibt's inzwischen auch so feinschmeckerhighlights wie fleischimitatbouletten und kunstschnitzel, als ob es nicht möglich wäre, ohne kunstprodukte fleischlos zu kochen. Die erste genießbare rataouille meines lebens habe ich natürlich in Frankreich gegessen. Und zwar dort, wo man es am wenigsten erwarten würde, nämlich in einer schulkantine. Wenn es dort möglich ist, gemüseplempe lecker zuzubereiten, dann sollte das auch in Deutschland möglich sein. Nur verderben Deutsche kantinenköche meist das gemüse, so daß geübte kantinenesser oft gemüse verschmähen, obwohl die meisten nicht jeden tag fleisch essen möchten.
Zitat Roberto:»Nur Verbote von fahrlässigen, ausbeuterischen und zerstörerischen Praktiken haben das Potenzial, etwas zu verändern.«
Wenn jemand so argumentiert, zeugt es nicht unbedingt von einem positiven menschenbild. Man kann die leute auch anders dazu bringen, bestimmte dinge zu tun oder eben zu lassen, wenn man ihnen andere wege und möglichkeiten aufzeigt. Dazu wäre es natürlich von vorteil, die verhältnisse umzustürzen und die wirtschaft von »profit« auf »versorgung der menschen« umstellen. Aber das will ja wieder keiner.

9 Kommentare:

  1. Zu Deinem Vorurteil über fleischlose Küche:

    2010:
    Björn Moschinski, bekannter Vegan Head Chef in Berlin, hatte in der Mensa der Uni Bochum Gulasch aus Sojawürfeln gekocht. Die Studenten bekamen das Gericht als üblichen Rindergulasch angeboten. Und siehe da: Sie speisten wie immer, das Gulasch lief gut. Die anschließende Befragung ergab dann Staunenswertes: 264 (88%) der 300 Gulasch-Esser hatten vom veganen Charakter des Essens NICHTS GEMERKT.

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    1. Als ex-vegetarier habe ich relativ wenig voruteile gegen fleischlose küche. Für vegetarisch essende freunde habe ich lasagne zubereitet und die hat einfach himmlisch geschmeckt (ham die jesacht - ich will mich ja nicht selber loben).

      Von dem gulasch aus sojawürfeln habe ich gehört. Haben die figuren keine geschmachsnerven? Man merkt das doch. Ich zumindest schon.

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    2. Bei Gulasch geht das, glaube ich, noch am einfachsten, da da sehr stark gewürzt wird. Vor einiger Zeit hat Sebastian Lege ("Die Tricks der Lebensmittelindustrie") mal ein Gulasch aus Sojawürfeln (Video, ab Minute 1'50) gemacht und ordentlich mit Hefeextrakt nachgeholfen (dann kann man das ganz legal als "ohne künstliche Geschmacksverstärker" deklarieren, obwohl es sich auch um Mononatriumglutamat handelt). Die Kostprobe in der Fußgängerzone verlief so, dass kaum einer das Fake-Fleisch erkannt hat.

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  2. Auch ein Steak oder ein Schweinbraten muss ordentlich gewürzt werden. Das Würzen ist nicht der Punkt, auch die Konsistenz und die Faserstruktur muss stimmen.

    Schon mal rohes Fleisch gegessen (außer Mett, das aber auch stark gewürzt werden muss)? Im äußersten Fallschmeckt es nach Blut.

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    1. Einspruch! EIn Schweinsbraten sollte gewürzt ein, ein ordentliches Steak braucht lediglich eine Prise Fleur du Sel und evtl. noch etwas groben schwarzen Pfeffer. Schon Kräuterbutter ist ein Frevel.
      Und was Mett an geht, kann ich das mit dem Blutgeschmack (Schlachtfleisch sollte keinerlei Blut mehr enthalten, die rote Flüssigkeit, die austritt, ist myoglobinhaltige Gewebeflüssigkeit) nicht bestätigen. Zumindest bei dem Mett, das mein Metzger des Vertrauens macht, und das man selbstverständlich auch ungewürzt bekommt.

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    2. Einen schweinsbraten kann man auch ohne weitere gewürze als salzbraten zubereiten, während man ein anständiges steak, bevor man es zubereitet, erst einmal für einige tage im kühlschrank in frischen kräutern aufbewahren sollte. Und die kräuterbutter benötigt man auf jeden fall für die kartoffeln oder das brot, das man dazu ißt. Stefan hat so ziemlich das gegenteil gesagt. Das ist aber alles geschmackssache. Fleisch schmeckt an sich überhaupt nicht nach blut. So ziemlich alles, was ich zubereite, habe ich auch roh probiert, ich muß halt wissen wie das schmeckt, weil ich nichts totwürzen möchte, sondern den eigengeschmack durch die art der zubereitung und gewürze hervorheben. Problematisch ist es bei manchen lebensmitteln, wenn sie zu lange tiefgekühlt waren, da muß man tatsächlich gelegentlich stark würzen, um einen seltsamen beigeschmack zu überdecken.

      Was ich an der von Stefan verlinkten doku interessant finde, ist, daß die leute es nicht an der konsistenz merken, daß sie fleischersatz essen. Liegt vielleicht aber auch daran, daß sie diese sojabatzen nicht kennen und ihnen deshalb der unterschied zum fleisch nicht auffällt. Im verlinkten Wikipediaartikel über fleischersatz finde ich die beschreibung des geschmacks der pilze äußerst merkwürdig. Soweit ich sie probiert habe, besitzen sie alle einen eigenen geschmack aber keiner erinnert irgendwie an fleisch. Für meinen lieblingspilz, den parasol, würde ich zwar jeder zeit ein Wiener schnitzl stehen lassen, denn der schmeckt wie wild, aber eben nicht wie behauptet nach wild. Das aroma könnte man ehesten mit Italienischen sommertrüffeln vergleichen. Für mich ist das immer ein bißchen merkwürdig, wenn menschen fleischlos essen möchten, sie sich aber dann aber ständig einreden, dies oder jenes lebensmittel würde schmecken wie fleisch. Das wird der angelegenheit nicht gerecht. So als allesfresser wird man doch von nichts daran gehindert, das original zu essen, wenn einem der sinn danach steht und da ist es doch naheliegend, etwas anderes essen zu wollen, wenn einem der sinn danach eben gerade nicht steht.

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  3. Das 3-Liter-Auto gab es in Gr0ßserie, VW Lupo Diesel.
    Es wurde wenig nachgefragt.
    Als das Ding neu auf den Markt kam, gab es eine kleine Reportage vom WDR. Man hatte sich umgehört und in einer Fachwerkstatt irgendwo im Rheinland war da schon ein prinzipiell baugleicher SEAT Arosa mit nachgerüstetem Bosch-Steuergerät unterwegs, der echte 2,88 Liter Diesel brauchte.
    Was uns das alles sagt, weiß ich nicht. Der mit Werbung vollgekotzte Durchschnittsautokäufer scheint aber schneller-höher-weiter zu bevorzugen.

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    1. Stimmt, den VW-Lupo gab es tatsächlich. Soweit ich mich erinnere, war der aber doch eine fehlkonstruktion, die kaum einer so richtig haben wollte. VW hat, wie die anderen auch, lieber spritfressende großfahrzeuge verkauft. Ein technisch einwandfreies kleingefährt wäre in kombination mit einem gescheiten konzept für bus und bahn ebenfalls mit werbung und allem vermarktbar gewesen. Aber dafür hätte man umdenken müssen und in längerfristige projekte investieren und das geht ja immer nicht. Und das ein grund, weshalb ich davon überzeugt bin, daß sich die probleme der welt innerhalb des kapitalismus nicht lösen lassen.

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  4. off topic: Mit dem vivaldi-browser gibt es kein Problem beim kommentieren.

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