Dienstag, 10. Januar 2017

Und noch mal kalter kaffee

Bereits im sommer 2012 schrieb ich, daß alternde rock’n’roll-»rebellen« aufregend wie kalter kaffee sind, als der sänger Wolfgang Niedeken sich dazu bekannte, Angela Merkel gut zu finden und sich darüber etliche menschen aufregten. Insgesamt wurde seit dem mein eindruck, daß rockstars eher einen hang zum konservativen haben als zum rebellentum, immer wieder bestätigt.

Beispielsweise der Bela B. von den Ärzten, der ende november beim Böhmermann auf der couch hockte. Der sich zwar nicht als Merkelfan geoutet hat, dem aber nichts besseres einfiel als zu erklären, daß es »uns« in diesem land total gut ginge und es so wenig arbeitslose wie nie zuvor im vereinten Deutschland gäbe. Hat der fatzke keine augen im kopf? Nach hirn möchte ich da ehrlich gesagt lieber nicht fragen. Weil es »uns« in diesem land so wunderbar geht, gibt es in hier so viele obdachlose wie mutmaßlich seit dem 2. weltkrieg nicht mehr. Da ist mir sogar der Frank Zander sympathischer, der zumindest sieht, daß hier was nicht stimmt. Der macht jedes jahr zu weihnachten eine obdachlosenbeglückungsparty - mit 3000 gästen und hat am ende ein schlechtes gewissen, weil er leider nicht einfach alle zur party einladen kann, weil es in Berlin inzwischen mehr als doppelt so viele obdachlose gibt.

Oder der Udo Lindenberg, der sich im interview mit der Super illu als Merkel fan outete und alle »radikalen, ob von links oder rechts« einfach mal gleichsetzt.

SUPERillu nr. 51/2016, seite 19
Weil er ein »freund der demokratie« ist. Schließlich hat ihm dieses system ein relativ angenehmes leben beschert und da ist es relativ wurscht, daß es nicht allen so gut geht. Auch wenn es »nicht so toll ist«, daß »zum beispiel arme notleidende menschen auf der anderen seite des planeten in abgewrackten fabriken für uns klamotten her[stellen] und ihre chefs zahlen keinen cent steuern«.

Aber woher das kommt, fragt der Panikrocker selbstverständlich nicht, danach zu fragen wäre dem demokratiefreund Udo dann vermutlich zu linksradikal.

Ich stelle immer wieder fest, daß die rockmusiker, die man hierzulande als »links« bezeichnet, es für gewöhnlich nicht sind. Die sind meist dadurch aufgefallen, daß sie getan haben, was jeder anständige mensch tut: sie haben etwas gegen nazis. Aber damit, etwas gegen rechtsextrem zu haben, ist man noch lange nicht links.

Beim überlegen, wen man tatsächlich als links einstufen kann, sind mir leider nicht sehr viele musiker eingefallen.

7 Kommentare:

  1. "Beim überlegen, wen man tatsächlich als links einstufen kann, sind mir leider nicht sehr viele musiker eingefallen."

    Konstantin Wecker fällt mir da spontan ein.
    Gut, ist jetzt nicht der klassische Rockmusiker...

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    1. Leider ist Konstantin Wecker ins esoterische abgedriftet. Man kann nicht von einer friedlichen, herrschafts- und gewaltfreien gesellschaft träumen und gleichzeitig den Dalai Lama bejubeln, der nichts anderes tut als herrschaftsansprüche zu stellen. Das paßt nicht zusammen.

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    2. Konstantin Wecker ist pulloverstrickender, kiffender Altgruener. Engagement in der Friedensbewegung und Umweltbewegung, gegen Atomkraft und Gentechnik versteht sich bei ihm von selbst. Esoterik war unter ihnen schon immer fester Bestandteil ihrer Überzeugungen. Das hat sich auch nicht bei den Grünen geändert, die zu Neugruenen wurden, die sich nicht vor Faschisten ekeln, weil sie Russen noch viel mehr hassen, und deshalb einen Unterschied zwischen "Mahnwichteln", "Friedenswinter"-Aktivisten auf der einen Seite und Ostermarschierern auf der anderen Seite ausmachen, den gewöhnliche Menschen gar nicht wahrnehmen.

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    3. Bekiffte Altgruene sind aber laengst nicht die reaktionären Fortschrittsverweigerer, wie das Vorurteil urteilt. Vielmehr bilden waldorf-geschaedigte Luther-Christen die Vorhut des Fortschritts. Nur dort, wo der Fortschritt sein Werk getan hat, bekämpft man sie als Querfront-Faschisten. Dort aber, wo das Stromnetz einer ganzen Region zusammenbricht, wenn man den Tauchsieder einschaltet, wirken Altgruene am Aufbau der Zivilisation. Deutsch-protestantische Arbeitsethik und frugaler Lebensstil und die Hingezogenheit zur freien unberührten Natur macht sie zu Pionieren. Das laesst sie ein Leben erstreben, vor dem jeder vernünftige Mensch fliehen würde, wenn sich die Gelegenheit bieten wuerde, um etwa Primaballerina, Kosmonaut oder Schachspieler zu werden.

      https://youtu.be/YaB0lKx1Uf8

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    4. Soweit ich informiert bin, ist Konstantin Wecker kein mitglied irgendeiner partei und bezeichnet sich als anarchist. Im gegensatz zu den altGRÜNEN, denen ein bißchen öko innerhalb des kapitalismus ausreicht, redet der gelegentlich von der utopie einer herrschaftslosen gesellschaft, allerdings mit allerhand spiritualitätsscheiß. Das geht wohl eher so in die richtung der alten kohlrabiapostel aus dem 19. und frühen 20. jahrhundert. Bei denen wuchs damals schon zusammen was zusammengehört: schwurbelköppe wie Silvio Gesell, verquaste esoteriker und die reaktionären der Völkischen Bewegung. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

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  2. Es ist ja nur konsequent, dass der Dummerich hier den Wecker anführt. Wenn man keine Ahnung hat, muss man das schließlich in die Welt hinausposaunen - das ist sein Motto.

    Zum Thema: Lindenberg ist in der Tat ein furchtbares Beispiel für Altersdemenz: Der Udo aus den 70ern müsste den heutigen, im ergaunerten, elitären Wohlstand angekommenen Lindenzwerg rechts und links ohrfeigen, bis es böse brennt. Und gewiss ist er kein Einzelfall.

    Dennoch gibt es auch andere Beispiele - ich erinnere nur an die alten Recken von Slime, die noch im letzten Jahr mit einem deutlichen Liedchen auf den zunehmenden AfD-Terror von rechts reagiert haben.

    Es geht also auch anders - selbst im Alter. :-)

    Liebe Grüße!

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    1. Bitte keine beleidigungen, sonst kommt die löschmaus.

      Neben anderen punkbands, die leider nie so bekannt wurden, sind Slime mir auch eingefallen. Und natürlich der »old-school-punk« Kreisler.

      Liebe Grüße

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