Mittwoch, 10. Oktober 2018

Ernährung und religion (teil 1)

Unter dem schönen titel
»Ist Fleischessen eine Religion?«
hat frau Wakonigg sich beim Humanistischen Pressedienst ausgetobt. Eigentlich ist das kaum ein aufreger, weil es im grunde zu blöde ist. Allerdings sind ihre argumente so bescheuert, daß ich trotzdem drauf eingehen möchte.
Daniela Wakonigg: »Na, ist Ihnen beim Lesen des Titels das Steak im Hals stecken geblieben? Oder das Schnitzel, der Schweinebraten, die Blutwurst? Falls ja, möchte ich Sie bitten, sich zunächst den Wutschaum vom Mund zu wischen und sich zu beruhigen. Natürlich ist Fleischessen keine Religion. Allerdings benehmen sich Fleischesser häufig so wie Religiöse, wenn es ihnen an den Braten gehen soll.«
Das ist schon der erste komische gedanke. Wenn schon schaum vorm maul, dann entweder vom milchschaumkaffeegetränk oder vom bier. Alles andere wäre übertrieben. Und wie soll mir beim lesen eines titels irgendwas im halse stecken bleiben? Ich zumindest bereite doch nicht ein schönes essen zu, um nebenher internet zu gucken. Da wirft sich die frage auf, was hat die frau für eine eßkultur?
Daniela Wakonigg: »In letzter Zeit war in den Kommentarspalten des hpd und jenen des weltweiten Netzes oft die Behauptung zu lesen, dass Veganismus eine Religion sei. Das ist natürlich kompletter Unsinn. Zu einer Religion gehört nach allgemeinem Verständnis der Glaube an eine übernatürliche Dimension, die Einfluss auf das diesseitige Leben nimmt. Ein Glaube, der noch dazu von mehreren Menschen in weitgehend gleicher Form geteilt werden muss.[...] Allenfalls könnte man beim Veganismus von einer Ideologie sprechen, wenn man ihn denn klassifizieren möchte.«
Meines wissens gibt es zum beispiel im Buddhismus glaubensströmungen, die nicht an eine »übergeordnete dimension« glauben, sich aber moralisch mit der welt auseinandersetzen und dann glauben, mit ihrem moralscheiß auf einer höheren ebene zu stehen und genau das tut ein teil der veganer. Das sind die schreihälse, die in der öffentlichkeit wahrgenommen werden. Die leute, die einfach bescheiden auf tierische produkte verzichten, weil sie sowas nicht mögen oder aus welchen gründen auch immer ablehnen, fallen nicht auf. Tatsächlich würde ich beim veganismus aber auch eher von einer ideologie denn von religion sprechen, in dem punkt kann ich frau Wakonigg zustimmen.
Daniela Wakonigg: »Eigentlich geht es bei dem Vorwurf, dass Veganismus eine Religion sei, auch um etwas anderes. Die Vorwerfenden beklagen, dass Veganer bei jeder Gelegenheit missionieren und keine andere Position als ihre eigene dulden, kurz: sich benehmen wie Religiöse.«
Das stimmt so nicht, veganer missionieren viel eher als religiöse menschen. Das liegt womöglich daran, daß manche veganer sich mit ihrer ernährung weit mehr beschäftigen als mancher gläubige Christ mit Jesus. Man kann sich mit religiösen menschen beim essen unter umständen stundenlang über literatur, musik, die römer oder spulwürmer unterhalten, ohne daß der glaube überhaupt zu sprache kommt. Mit einem veganer am tisch wäre das eher nicht möglich, weil veganer ja eben glauben, daß die anderen mit ihrer leichenfresserei schuld am übel in der welt wären.
Daniela Wakonigg: »Veganer hingegen betrachten diese "Missionierung" nicht als Missionierung, sondern als Aufklärung. Sie wollen mit rationalen Argumenten zeigen,...«
An der stelle wird es dann tatsächlich fast religiös: für vegane ernährung gibt es exakt so viele rationale argumente wie es rationale gottesbeweise gibt.
Daniela Wakonigg: »...dass der Verzehr von Fleisch und Lebensmitteln tierischen Ursprungs Klima und Umwelt schädigt, dass diese Ernährungsweise einer immensen Zahl fühlender nicht-menschlicher Lebewesen massives Leid zufügt, dass sie der eigenen Gesundheit schadet und dass sie überaus leicht vermieden werden kann.«
Mal wieder das »überaus leicht vermeidbare leid nicht-menschlicher lebewesen«. Zu den nicht menschlichen lebewesen zählen aber eindeutig auch pflanzen und pilze und um deren leid geht es veganern offensichtlich nicht.

Es ist eine seltsame idee, ausgerechnet der herstellung von lebensmitteln anzulasten, daß das dem klima schaden würde. Im gegensatz zu allen anderen wirtschaftzweigen setzt die landwirtschaft nicht nur treibhausgase frei, sondern ist auch imstande sie zu binden. Die tiere geben nur den kohlenstoff ab, den ihre futterpflanzen zuvor zum leben benötigt haben.

Für den menschen gilt das genauso: wer sich fürchtet, klima und umwelt zu schädigen, sollte vielleicht mal das ausatmen bleiben lassen. Das ist allerdings ganz schlecht fürs leben.

Wenn man dem weltklima etwas gutes tun möchte, ist es meinen berechnungen zufolge wesentlich effizienter, wenn man nicht mehr auto fährt und keine flugreisen unternimmt, als auf irgenwelche landwirtschaftlichen produkte zu verzichten. Das muß man weder moralisch oder ideologisch verbrämen, sondern es einfach nur lassen, sofern man die möglichkeit dazu hat.

weiter mit teil 2

7 Kommentare:

  1. "Zu den nicht menschlichen lebewesen zählen aber eindeutig auch pflanzen und pilze und um deren leid geht es veganern offensichtlich nicht." Kommt immer wieder, mein Lieblingsargument.

    Es ist schon außerordentlich erstaunlich, dass Fleischesser, denen nachgewiesenes Tierleid egal ist, plötzlich ihr Herz für Einzeller und Pflanzengefühle entdecken. Wer weiß schon, ob nicht vielleicht auch Pflanzen Schmerzen haben, dann esse ich doch lieber tote Tiere, bei denen ich ganz sicher weiß, dass sie gelitten haben UND Pflanzen – Hä? Zum anderen ist es natürlich völliger Unsinn: Pflanzen haben kein Schmerzempfinden – hätten sie eines, könnten sie wegrennen. Pflanzen haben kein Zentralnervensystem und kein Gehirn, das nötig wäre, so etwas komplexes wie Schmerzen herzustellen. Und, liebe Pflanzenfreunde: Die riesigen Getreide- und Soja-Monokulturen werden für die Fütterung von so genannten Nutztieren angelegt, mehr als die Hälfte der weltweiten Getreideernte landet in Futtertrögen, bei Soja sind es 80 Prozent.

    Hat alles weder mit Religion, noch mit Ideologie zu tun, sondern mit Vernunft. Religiös argumentiert wäre z. B. "Du sollst nicht töten!" (5. Gebot.) Also keine Vieche essen, denn sonst stünde dort: "Du sollst keine Menschen töten!"
    Ist aber nicht meine Baustelle.

    Gruss von inkonsequenten Lakto-Ovo-Vegetarier.

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  2. Ich esse morgens halal, mittags koscher und abends vegan.

    Wo ist das Problem?

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  3. @altautonomer

    Zitat: Religiös argumentiert wäre z. B. "Du sollst nicht töten!" (5. Gebot.) Also keine Vieche essen

    Ja, wenn die zehn Gebote zb nach dem zweiten Weltkrieg geschrieben worden werden. Das Faktenverdrehen ist die Basis des Veganismus.

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  4. Daß pflanzen nicht wegrennen können, ist kein argument, daß sie keine schmerzen haben könnten. Ich zumindest kann leider nicht immer einfach wegrennen, wenn ich schmerzen habe.

    Pilze sind doch keine einzeller! Das größte lebewesen der welt ist ein pilz. Der lebt in Oregon, ist über 900 hektar groß und soll älter sein als 2000 jahre, das ist ein exemplar der art, die auf Deutsch hallimasch genannt wird und dessen fruchtkörper sogar eßbar sind, sofern man sie verträgt. Die gelbe lohblüte kann sich sogar fortbewegen - ob sie aus angst vor schmerz »wegrennt« oder einfach nur auf der suche nach lecker mittagessen ist, läßt sich schwer sagen. Pilze sind faszinierende lebewesen, deren lebensweise weitgehend unerforscht ist. Vielleicht sollte man sie lieber nicht essen, aber sie schmecken - für einen gut zubereiteten parasol laß ich glatt ein saltimbocca stehen.

    Was in der Bibel steht, geht mich als atheist nichts an.

    Wenn jemand sagt, daß er kein fleisch essen mag, weil er das eklig findet, geht das völlig in ordnung. Jedoch ist es blöd, wenn man seine ernährungsweise moralisch verbrämt.

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  5. Vollsynthetische Ernährung dürfte die einzig ethische sein …

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  6. Dass Veganer, Vegetarier und Fleischesser teilweise ihre Lebensweise mit religiösem Eifer und Denken an dem Mann bringen wollen, klar. Und dass auch mir Veganer da mit Abstand am massivsten auffallen, ebenfalls klar. Ja und selbstverfreihlich ist der klimatische Impact durch fossile Energienutzung absolut nicht zu verachten, sondern zum folgenden in etwa gleichwertig.
    Fleischzüchtung rechnet sich ökologisch und gesundheitlich in dem Maße, wie hierzulande produziert und konsumiert wird einfach nicht. Stichwort Gülle. Und dieses Modell kann nicht auf den Rest der Welt übertragen werden. Siehe dazu auch Altautonomer bzgl. 80% Soja für Fleischproduktion.
    Drastische Reduktion der konsumierten Fleischmenge gepaart mit ökologisch nachhaltiger Produktion/Zucht MUSS kommen.

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