Samstag, 14. Juli 2012

Noch weiter unten als »ganz unten« (2)

Fortsetzung von gestern - zum ersten teil geht es hier.

In den frühen 90er jahren war es üblich, fortwährend zu behaupten, in Deutschland müsse man weg von der »industriegesellschaft« hin zur »dienstleistungsgesellschaft«. Eingebleut wurde den menschen damit, daß es in der industrie, in der viele der mehr oder weniger »einfachen« arbeiten nun immer weiter automatisiert würden, keine arbeitsplätze mehr geben würde.

Gemeint war allerdings etwas völlig anderes. Beobachtet habe ich in dem mittelständischen industriebetrieb, in dem ich in der personalabteilung tätig war folgendes: Die stelle des hausmeisters beispielsweise wurde, als dieser in rente ging, nicht neu besetzt und die ihm unterstehende abteilung zur gebäudepflege und -reinigung aufgelöst. Stattdessen wurden diese leistungen über einen »hausmeisterservice« eingekauft. Die leistung wurde dadurch keinesfalls besser oder billiger, jedoch entledigte sich die firma mit dieser entscheidung jeder sozialen verpflichtung. Ob die reinigungsmenschen ihren lohn bekamen, war egal. Hauptsache sie machten ihre arbeit so weit, daß der betrieb weitergehen konnte.

Aber mit der auslagerung von arbeit war noch lange nicht das »ende der fahnenstange« erreicht.

Als ich vor etlichen jahren zu einem profiling »durfte«, waren dort auch einige menschen, die von sarrazynikern als »gefahr für Deutschland« betrachtet werden, weil sie in die sozialsysteme einwanderten (also Türken). Diese »minderleister« erzählten recht freimütig über ihre arbeit. Unter anderem hatten sie mitte bis ende der 90er jahre auf der großbaustelle in der gegend am Potsdamer Platz gearbeitet.

Es waren keine ungelernten hilfskräfte, sondern handwerker, die berufe wie maurer oder bauschlosser gelernt hatten. Sie arbeiteten dort für subunternehmer, nach ihren angaben für »wasser und brot«. Auf nachfrage sagten sie, sie hätten damals dort ungefähr 5 mark in der stunde verdient.
Sie sprachen auch von portugiesischen arbeitern, die mit falschen versprechungen nach Deutschland gelockt worden seien, um die löhne der bereits vorhandenen arbeiter unter druck zu setzen. Die Portugiesen hätten auf der baustelle in wohncontainern unter erbärmlichsten bedingungen gelebt und für rund 2 mark pro stunde malocht.

Wie bereits Wallraff es in seiner doku gezeigt hatte: Es handelte sich dabei insgesamt um eine form von »organisierter schwarzarbeit«. Es wurde für größere firmen gearbeitet, vorbei an sämtlichen sozialkassen.

Die qualität war eine andere, als Günter Wallraff es in seinem film gezeigt, oder ich es in meiner zeit in der personalabteilung beobachtet hatte. Es ging hier nicht um hilfsarbeiten, sondern um arbeit, die ausbildung erfordert.






Von ausländischen »minderleistern« erbaut:
Berlins »neue Mitte« rund um den Potsdamer Platz


Inzwischen betrifft das thema, nicht mehr bloß ungelernte und handwerker, sondern auch hochqualifizierte. Der vorteil hierbei ist, daß einer der »nur« geistige leistung abzuliefern hat, dank internet überhaupt nicht vor ort sein muß, um das zu tun. Dazu muß ich jetzt nicht mehr viel schreiben. Wer mag kann bei gedanken(v)erbrechen weiterlesen unter Noch mehr moderne Arbeitswelt: Ausbeutung 2.0 oder Ursula von der Leyen entdeckt die schöne neue Arbeitswelt.

Interessant fand ich bei beiden artikeln die kommentare eines nutzers, der sich »Das Häschen« nennt und beschrieben hat, in welche richtung das alles läuft.

Es geht weiterhin darum, die gewinne der konzerne zu steigern - und das geht nur, wenn der lebensstandard der menschen in den industrieländern möglichst weit abgesenkt wird und man es global in kauf nimmt, daß es besser ist, menschen verhungern zu lassen als ihnen das lebensnotwendige einfach zu geben. Dabei wäre genug von allem da.

Für alle lohnabhängig beschäftigten geht es nach noch weiter unten als »ganz unten«.

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