Mittwoch, 18. März 2020

Kann eine seuche zählen?

Schon wieder gibt es einen aufreger, für den es morddrohungen gab. Es geht um dies video:

Und dies zitat:
»Wir vom Browser Ballett sagen ja zu Corona, denn mit diesem Virus heilt sich der Planet praktisch selbst. Interessant, wie fair dieses Virus dabei ist. Es rafft die Alten dahin, aber die Jungen überstehen diese Infektion nahezu mühelos. Das ist nur gerecht, immerhin hat die Generation 65 plus diesen Planeten in den vergangenen 50 Jahren voll an die Wand gefahren«
In Barry Hugharts roman »Die Brücke der Vögel«, einer geschichte aus dem alten China, wie es nie gewesen ist, werden ausschließlich kinder eines bestimmten alters von einer merkwürdigen seuche dahingerafft. Meister Li, der auf der suche nach einer medizin dagegen ist, denkt darüber nach, ob eine seuche zählen kann. Im buch wie im richtigen leben kann sie das natürlich nicht.

Den dr Li Wenlilang, den es im realexistirenden China tatsächlich gab und der im dezember 2019 als einer der ersten, vielleicht sogar als der erste vom neuen coronavirus berichtete, verstarb im biblischen alter von 33 jahren. Auch junge menschen können daran sterben, wenn die pech haben oder eben zu einer risikogruppe gehören. Wie beispielsweise diese leute:

Die sind nicht übermäßig alt. Aber eben nicht gesund. Im weiteren verlauf des videos ist dann auch noch die rede davon, daß die anzahl der menschen auf diesem planeten ein problem sei, und daß das leben auf diesem planeten ohne die »überzähligen« menschen besser sei. Da färbt sich der humor dunkelbraun.

Aber morddrohungen wegen brauner eselei sind auch wieder nur braune eselei.

6 Kommentare:

  1. Satire muss man natürlich auch verstehen können. Dieser Spot richtet sich ja gerade gegen die Stammtischparolen, dazu nutzt man das Mittel der satirischen Übertreibung der Parolen. Mein Tipp: Besser nie ein Kabarett besuchen.

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    1. Den witz kann man durchaus auch anders sehen. Vor dem hintergrund, daß sich ein teil der jungen leute bis anfang/mitte 30 in den vergangenen tagen aufführt wie kinder in der trotzphase, parties feiert und sich jetzt-erst-recht mutwillig anstecken will und damit keineswegs das eigene leben riskiert, sondern das anderer, die nicht so krankhaft gesund und/oder schon älter sind, finde ich das eher mäßig komisch.

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  2. Das es handwerklich nicht besonders toll ist, darüber kann man sicher streiten. Das Künstlerkollektiv hat halt mal mehr, mal weniger guten Output, wie anderswo auch. Was führt zur falschen Auffassung dieser Satire? 1. Man hat es lange nicht mehr mit einem Stammtisch zu tun gehabt. 2. Man kennt Humor nur peripher, so als Konsens aus der Bildzeitung. 3. Mann ist nur neoliberal auf Schlagworte konditioniert (was am Wahrscheinlichsten ist). In allen Fällen helfen Erziehung und kulturelle Bildung weiter, sofern noch möglich. Das ist genau der Grund, warum ich bestimmte Leuten empfehle nie ins Kabarett zu gehen und einigen, maximal zu Volker Pispers (ehemaliger Nachrichtensprecher der Kabarettszene). Wenn man solchen Leuten sonst sogar nur den Puffpaff servieren würde, würden schon die Teerfässer geholt werden. Das ist genau der Grund, warum sowas normalerweise später im Programm läuft.

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    1. Wie? Wenn man lange nichts mit dem stammtisch zu tun hatte, muß man erzogen werden, wenn man einen witz nicht komisch findet?

      Jetzt, wo alle eulen verflogen sind kommstu mit dem hinweis, daß ich besser nie ins kabarett sollte. Zu spät. Vielleicht beruhigt es Dich ein wenig, daß ich hier im blog auch schon mal über den Volker Pispers gemeckert habe und da hatte ich gründe für. Was das Browser Ballet macht, finde ich streckeweise völlig in ordnung. Ich denke, daß grundsätzlich kritik an sachen, die man nicht in ordnung findet, auch für das kabarett absolut notwendig sind. Keinerlei teerfässer oder morddrohungen für kabarettisten. Nicht einmal für die, die ich ehrlich nicht leiden kann.

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  3. Ich werde den Unterschied zwischen Comedy und Satire nicht weitergehende erläutern. BBB sind da zwar eine Mischung, denn sie bedienen beides, aber Satire muss nicht witzig im Sinne einer Comedy sein. Das ist ein wesentliches Merkmal von Satire. Ob man drüber lachen kann, hat da eher was mit der eigenen Lebenserfahrung zu tun. Auch entscheidend dafür ist der eigene Lebensweg. Wenn der geradlinig gelaufen ist und man mit seinem Sachbearbeiterposten bis zu Rente d'accord geht, braucht man sich sowas nicht anzuschauen. Man wird niemals die Pointen begreifen können, da sie einen selbst nie tangiert haben. Von daher war der Pispers wirklich richtig gut. Mit seiner Rolle als Nachrichtensprecher hat er vielen Leuten dabei geholfen, die Missstände von der elterlichen Erziehung und der Schule auszugleichen und so ein paar neue Leute in den Bann des politischen Kabaretts zu ziehen. Dafür sollten viele Künstler dankbar sein. Das Gros hat indes nur das gehört, was Spiegel und Tagesschau auch so gebracht haben und fühlten sich einfach nur irgendwie bestätigt und haben deswegen geklatscht. Das sind aber Leute, die da nicht hingehören. So wenig, wie Fancy Fans in das Metallicakonzert. Ich stelle mir vor, danach hätte Matthias Deutschmann erst auf wundervolle Weise mit seinem Cello erst die Deutsche Nationalhymne (mit entsprechenden Textanleihen) zersägt und dann Schillers Glocke auf den ewig schwelenden Konflikt zwischen Pakistan und Indien in besonderer Anspielung auf deren Atomwaffenpotenzial dargeboten. Viel schlimmer noch: Der würde das heute machen. Im Abendprogramm. Dann würden wahrscheinlich gar keine Kabarettprogramme mehr laufen dürfen. Vom Urgestein aus Hannover, der damals schon betagt, sich 1990 noch mit Staubsauger (und heute nicht mehr vorhandener Coronaschutzausrüstung) auf die Bühne schleppte und mal den politischen Bullshit mit dem typischen Techno Bullshit abglich, dem Kittner, ganz zu schweigen (und ich bin so ein Technospaten, trotzdem war das wichtig und richtig). Nee, also Ähhhrlisch, wenn man sich wegen der Buzz Words aufregt, weil Alte, Junge, Gegensätze, etc., dann kann man echt nur noch Comedy bringen. Das wäre für mich fatal. Denn ich liebe Unterhaltung, die auch fordert und bei der man nicht nur seine Blase bestätigt bekommt. Das bringt politisches Kabarett. Wenn man einfach nur mal lachen will, sind andere Formate bestimmt praktischer. Dann muss man aber auch nicht ins Kabarett gehen. Man könnte aber auch die eigen Konditionierung überdenken. Muss man wirklich gleich explodieren, weil mal jung und alt in einem Satz hört? Warum echauffieren sich 1000e Menschen in den Kommentaren von Welt und Tagesspiegel dazu, die den Spot nicht mal gesehen haben? Sind das wirklich die Leute, mit denen ich mich identifizieren will? Wo ich Applaus spende?

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    1. Entschuldigung. Ich habe den eindruck, Du hast nicht für einen pfennig begriffen, was ich oben geschrieben habe, nämlich daß ich es SCHEISSE finde, daß leut über so etwas EXPLODIEREN. Du muß Dir keine sorgen machen, auch wenn ich völlig unfancy bin, tät ich nie auf die idee kommen, ein Metallicakonzert zu besuchen, was sollte ich da?

      Aber immerhin, Du hast mich zum lachen gebracht. Das ding mit der geradelinigen sachbearbeiterkarriere, die Du mir offenbar unterstellst, ist eine gute idee.

      Made my day.

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