Dienstag, 4. September 2018

Woran man nazis erkennt

Unter dem titel »Wie man Nazis erkennt« schrieb Christian Stöcker in seiner kollumne »Der Rationalist« am vergangenen sonntag wie so häufig in den bürgerlichen medien leider kaum gescheites darüber, woran man nazis erkennt.

Weil man nazis heute nicht mehr an glatze, springerstiefeln und baseballschlägern erkennt, ging es zur abwechslung um Hitlergruß, dumpfe parolen, rechte symbole, zeichen und deren abkürzungen, Holocaustleugnung oder den versuch, den Holocaust in vergessenheit geraten zu lassen. Und um nudelsoßen. Und überhaupt: »Allzu groß ist das Repertoire nicht, viele Nazis sind eher schlichte Gemüter.« Und damit begeht herr Stöcker den schlimmsten fehler, den man machen kann. Er spricht einfach den leuten, deren ideen er für verwerflich hält, die fähigkeit zu denken ab, als ob falsches denken nicht ebenso einer gewissen logik folgen würde. Und so kann er sich, wie andere autoren auch, drumrumdrücken zu erklären, woran man nazis eigentlich erkennt: nämlich an ihrer gesinnung.

Was macht faschistisches denken aus?

Die überhöhung des nationalen interesses oder wie Pegidaredner Kubitschek es ausdrückte, daß wahrhaft loyal zum eigenen land sei, dem die größe seines landes wichtiger sei als das eigene leben. Wenn dergestalt überzogene ansprüche an die vaterlandsliebe gestellt wird, muß es einen nicht wundern, daß menschen, die auswärtige wurzeln haben, in den verdacht geraten, daß sie dazu eher nicht bereit sind. Wobei zum glück auch die breite mehrheit der eingeborenen Deutschen mit sicherheit nicht so selbstmörderisch denkt. Faschisten befürworten den krieg und das recht des stärkeren, weshalb sie sich herausnehmen, jene, die sie für schwach oder Undeutsch halten, gegebenenfalls totzuprügeln.

Ebenso wichtig ist die verherrlichung der geschichte des eigenen volkes. Und in bezug auf den Holocaust ist selbst den faschos klar, daß das eher etwas verherrlichungsunwürdiges ist, weshalb das entweder geleugnet wird oder wenigstens höchstens am rande erwähnt werden soll. Stattdessen soll man lieber an die geistesgrößen denken, die Deutschland hervorgebracht hat. Aber eben nicht wegen ihrer besonderen leistungen, die sie hervorbrachten, sondern weil sie Deutsch waren. Auch wird die volksgemeinschaft mythisiert, woraus zwangsläufig feindschaft gegenüber fremden resultiert. Beliebt ist das lamento »für uns Deutsche ist kein geld da, aber den flüchtlingen wird gegeben.« Als wäre bis 2015 alles in butter gewesen und dann plötzlich wegen der fremden der Deutsche sozialstaat zusammengebrochen und als müßten nun die h4empfänger und armutsrentner deretwegen zum monatsende an alten teebeuteln lutschen - mußten sie vorher schon. Dieser staat hat es nämlich so eingerichtet, daß es hier konkurrenz und somit auch konkurrenzverlierer gibt. Dagegen haben die rechten nichts, solange ausländer nicht dafür zugelassen sind. Und da fühlen sie sich dann vom staat verlassen, von dem sie sich einbilden, daß er zuerst für sie als Deutsche da sein müßte.

All das kann und sollte man selbstverständlich ablehnen - und schon gar nicht mit »unzufriedenheit«, »angst«, »einfache lösung«, »populismus« oder dergleichen entschuldigen. Ja, es macht spaß, über rechte zu lästern und witze über sie zu machen, nur wird das auf dauer dem problem nicht gerecht, wenn man immer nur liest, wie blöde die sind.

15 Kommentare:

  1. Nazi ist für mich jede/r, der unter Berufung auf den Rechtsstaat mit Hinweis auf das staatliche Gewaltmonopol brennende Autos (G20 Hamburg) genauso schlimm findet, wie brennende Flüchtlinge und ihre Unterkünfte. Hier wird der Wert des Menschen auf den eines Blechhaufens heruntergebrochen.

    Für Marxisten kann der deutsche Arbeiter angesichts seiner untersten Position in der Nahrungskette kein Nazi sein. Er wurde entweder verführt oder gezwungen.

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    1. Man kann durchaus drüber streiten, ob es eine gute idee ist, autos anzuzünden. Das aber mit mord oder versuchtem mord gleichzusetzen, ist indiskutabel. Das verbietet sich von selbst.

      Letzeres stimmt nicht. Zumindest ich kenne einen Marxisten, der sagt, daß arbeiter sich diese ideologie erstmal einleuchten lassen müssen. Die sind durchaus imstande, fast von selbst auf unschlaue gedanken zu kommen, die werden nicht verführt. Das mit dem zwang traf 1933 teilweise zu. Soweit sind wir heute aber noch nicht. Somit ist diese verallgemeinerung unfug.

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  2. Bei "aufstehen" unter anderem auch gegen Rassismus und für die Zurückeroberung des öffentl. Raumes wird aktuell damit geprahlt, dass sich 100.000 Menschen eingetragen haben. Ich bi sicher, dass sich da auch noch die Spreu vom Weizen trennen wird, denn die Zahl sagt erst mal gar nichts. Der ADAC als Suchtbegleiter für Hochgeschwindigkeitsfanatiker hat 20 Mio Mitglieder.

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  3. 1933 gab es weder Verführung noch Zwang. Es ist der Mythos von der These, dass das deutsche Volk gegen seinen Willen sanft in den Faschismus geschoben wurde. So war es aber nicht. Der preußische nationale Volksdeutsche sah als autoriärtsgebundener Charakter (Adorno) mit dem Nationalsozialismus seine Vorstellungen vom Herrenmenschentum, völkischem Gemeinschaftsgefühl, Sekundärtugenden, Heimat, Familie und Führerkult seine Vorstellungen vom Leben verwirklicht. So ging es mit Hurra in den Faschismus. Da blieb, wie viele Bilddokumente belegen, kein zum Hitlergruss ausgesteckter Arm unten.

    Der organisierte Widerstand (Geschwister Scholl, Weiße Rose, Georg Elser, Rote Zelle) war nur marginal. Selbst nach der Kapitulation der 6. Armee vor Stalingrad im Jahre 1943 schrien 15.000 begeisterte Nazis auf die Frage von Goebbels, ob sie den totalen Krieg wollten: JAAAAA!

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    1. Lies bitte mal »Unsere Straße« von Jan Petersen. Das ist leider das einzige buch, das aus aus dem widerstand dieser zeit überliefert ist. Es hilft zu verstehen, was damals passiert ist.

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  4. Die Katze aus dem Sack7. September 2018 um 17:52

    Da mir selbst egal ist, wer hier wer ist bzw. für wen oder was sich jemand hält, bin ich gerade bei diesem Thema auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Die zeigen mir schon, wer hier wer ist, auch und gerade dann, wenn die Betroffenen das selbst gar nicht wissen.

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  5. Hätte die NSDAP die Sinti Roma Juden ect. nicht in KZ umgebracht sondern die definitive Verhütung sprich Fortpflanzung gestopt, kein Mensch hätte sich nach dem zweiten Weltkrieg deswegen aufgeregt. Zwangssteri gabs VOR dem Krieg in Schweden,Grit.Brit,Schweiz etc.

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    1. @ Rainer,

      ich habe das erst beim Meinhard Creydt gelesen, dass es in Schweden ein Gesetz zur Zwangssterilisation für Menschen gibt ,und das auch heute noch in Kraft ist, die mental verlangsamt sind, schwer behindert, unter Suchtproblemen wie Alkohol und Drogen leiden und für Roma und Sinti.

      Von Zwangssterilisierung betroffen sollen hauptsächlich Frauen sein. Man muss da nicht auf die Neoliberalen warten, die Sozzen sind denen immer schon einen Schritt voraus.


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    2. Und wenn meine Omma Räder gehabt hätte, dann wäre sie ein Lastwagen gewesen... Da ist übrigens noch dieser kleine Vernichtungskrieg im Osten unter den Tisch gefallen, über den sich selbstverständlich hinterher wohl auch niemand mokiert hätte. *kopfschüttel*...

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    3. Sind die Gesetze darüber auch in dem Rahmen angewendet worden wie in D zur Nazi-Zeit und standen diese Menschen dort auch unter solchem Verfolgungsdruck dank der systematischen und industriellen Vernichtung wie im Reich?

      Waren dort auch der Rassenwahn und die Ideologie der Auslöser wie beim deutschen Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1933?

      Wurden in den von Dir genannten Ländern die Genannten ebenfalls durch die Bank und ohne Rücksicht auf Verluste zwangssterilisiert, einfach weil es Juden, Sinti und Roma waren?

      So btw. dürfte es andernorts auch nicht die damit verbundenen Auswüchse der Euthanasie gegeben haben. Sind dann schon zwei Paar Schuhe...

      Lesenswerte Lektüre dazu z.B. beide Bücher von Ede und Unku.

      Was das mit dem Eingangsthema zu tun hat, checkt auch keiner.
      Kopfschüttelnd...

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    4. Ich füge das mal von Meinhard Creydt aus "Mythos "Volksheim " in Schweden ein

      "Die Macht des staatlichen Sorgerechtes für die Qualität des schwedischen Menschen zeigte sich auch im 1934 von der sozialdemokratischen Regierung unter Per Albin Hansson präsentierten Entwurf für ein Sterilisierungsgesetz. „Ab 1935 dürfen Menschen, die als geisteskrank, ‚mental langsam’ oder seelisch gestört eingestuft werden, ohne ihre Einwilligung sterilisiert werden. … 1941 wird das Gesetz verschärft. Jetzt tritt neben die sog. ‚eugenische’, die … ‚soziale Indikation’. Menschen mit ‚asozialer Lebensweise’ sollen in Zukunft ohne ihre Zustimmung unfruchtbar gemacht werden können. Und die Sozialreformer verbergen keineswegs, wen sie damit meinen: Prostituierte, Alkoholiker, Homosexuelle sowie Sinti und Roma. Mehr als 60.000 Menschen werden in Schweden bis Mitte der 70er Jahre sterilisiert, fast ausschließlich Frauen. Auf ihr Schicksal wurde in Schweden erst 1997 in breiterem Rahmen in der Öffentlichkeit aufmerksam gemacht. Erstmals leuchteten schwedische Historiker die dunklen Winkel des vordergründig so idyllischen ‚Volksheims’ aus“ (Bührig, Budde 2007, 160).

      https://linkezeitung.de/2018/09/09/mythos-volksheim-in-schweden/

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    5. Eieieieieiei. Da geht man EINmal einen heben ohne fortwährend auf dem smartphon rumzugrabbeln und schon bekommt man hier demonstriert, woran man nazis erkennt.

      Eugenik war zwar im 20. jahrhundert zwar weit verbreitet, auch unter sozialdemokraten und liberalen. Aus heutiger sicht ist diese form von rassenhygiene als faschistisch zu betrachten.

      Vielleicht sagt irgendjemandem der begriff »Rheinlandbastard« etwas. Das waren völlig normale kinder Deutscher frauen, die allerdings vom teint her ein wenig dunkler aussahen, weil ihre väter aus den Afrikanischen kolonien Frankreichs stammten. Die wurden von den nazis der »falschen« farbe wegen als »erbkrank« eingestuft und wurden entweder zwangssterilisiert oder gleich umgebracht. Niemand weiß, wie viele von ihnen.

      Wenn man mal einen vortrag im Haus der Wannseekonferenz mitmacht, was ich sehr empfehlen kann, erfährt man, daß die nazis durchaus die idee hatten, die rassisch ungewollten zu sterilisieren. Der massenmord kam allerdings billiger. Wenn man von dieser idee her denkt, ist die grausamkeit bereits vorprogrammiert.

      Der staat hat sich aus den privatangelegenheiten der leute rauszuhalten, wer kinder will, kriegt welche, wer keine will, läßt es einfach bleiben. Völlig unabhängig von farbe, religion oder gesundheit.

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    6. Abseits der Frage, woran man Nazis erkennt, ist es trotzdem immer blöd, ein Verbrechen durch ein anderes zu relativieren. Im Fall von Nazis/Faschisten/Rechten erst recht.

      Rassistischer Schrott ist es sowieso, egal ob man in seiner Ideologie unerwüschte "Rassen" - die es bei Menschen gar nicht gibt - und Ethnien durch Zwangssterilisation oder durch Massenmord verhindern will.

      Übrigens gab es so etwas bei den Roma sogar noch in der sozialistischen Tschechoslowakei und Ungarn. Dort und auch in Rumänien wurden und werden immer wieder Stimmen laut, ähnliches unter dem Euphemismus "Geburtenkontrolle" durchzusetzen und dabei durch das Zahlen von Geld für den Nachweis auch noch als "freiwillig" zu deklarieren.

      Wer da immer noch die Mär bringt, dass u.a. in Chemnitz die Nazis nur einen Teil der Demonstrationen darstellten und der Rest die berühmten "besorgten Bürger" waren, glaubt auch noch an die Wiederauferstehung...

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  6. Der staat hat sich aus den privatangelegenheiten der leute rauszuhalten, wer kinder will, kriegt welche, wer keine will, läßt es einfach bleiben. Völlig unabhängig von farbe, religion oder gesundheit.

    Genau! – Fehlfarben gibt's in der Zigarrenproduktion und nicht bei Kindern. Wer freilich alles ausschließlich als Objekt wahrnimmt …

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