Sonntag, 27. Mai 2018

Prost Mahlzeit, Deutschlandfunk Kultur

Seit etlichen jahren höre ich freitags mittags gern Udo Pollmers radiokolumne »Mahlzeit« auf Deutschlandfunk Kultur, in welcher er über beliebete ernährungsmythen und dergleichen aufklärt. Seit märz teilt er sich diesen sendeplatz mit Sarah Wiener, die eine bekannte und vielleicht sogar auch gute köchin sein mag, aber mit wenig sachverstand und viel ideologie ans werk geht. Beispielsweise gab sie vor einigen jahren zum besten daß »hoffnung erst wieder sei, wenn ein hühnchen 15€ kostet«, somit offenbar keine notwendigkeit sieht, daß auch arme menschen satt werden. Braucht man für die erkenntnis, daß bienen blüten zum leben benötigen belehrung aus dem radio? Lernt man dergleichen nicht mehr im kindergarten oder der grundschule?

In der letzten folge ging es um tomaten und insgesamt ziemlich durcheinander.

Tomaten, so Wiener, seien seit den 90er jahren nur noch »wasser ohne geschmack«, obgleich es ja so viele interessante tomatensorten gäbe, die sich farblich und im geschmack stark unterscheiden würden. Daß tomaten heutzutage schlecht im geschmack wären, läge daran, daß sie in Holland industriell auf steinwolle angebaut würden, aber trotz »natürlicher bestäubung durch hummeln« keinen geschmack entwickeln würden.

Da werfen sich für mich fragen auf. Was haben hydrokultur oder »natürliche bestäubung« durch hummeln mit dem geschmack von früchten zu tun? Ob die früchte schmecken oder nicht, hat wohl eher etwas mit den angebauten sorten zu tun, den pflanzen ist es überdies egal, ob sie von hand oder von hummeln bestäubt werden und woher die für sie lebensnotwendigen mineralien kommen. Hat sich frau Wiener 1999 einfrieren lassen und hat von den vergangenen knapp 20 jahren so gar nichts mitbekommen? In den jahren nach der jahrtausendwende fing es an, daß man in den gemüseabteilungen von delikatessengeschäften auch bunte tomaten für teuer geld kaufen konnte. Interessanter weise stießen diese damals sehr schnell auf kritik von gentechnikgegnern, die hinter gelben, schwarzen oder gestreiften tomaten tricks einer bösen industrie erkennen wollten. Inzwischen setzen längst supermärkte und discounter auf diversifikation und bieten höchst unterschiedliche tomatensorten an, die mit den »wassertomaten der 90er« kaum etwas zu tun haben - beim discounter, der mit einem großen »a« anfängt, wurden letztens sogar tomatenpflanzen alter sorten angeboten.

Natürlich darf auch hier wieder der unsinn von den »bösen« hybridzüchtungen nicht fehlen, mit denen die halsabschneiderkonzerne die menschen abhängig machen. Allerdings gehören inzwischen auch F1hybride tomatensorten zu den sogenannten »traditionssorten«, beispielsweise die gute, alte Harzfeuertomate, die in den 50er jahren in der DDR gezüchtet wurde. Das saatgut gibt es für pfennigbeträge in jedem anständigen supermarkt und die pflanzen lassen sich erstaunlich einfach sogar in hydrokultur auf der fensterbank ziehen, was dem ausgezeichneten geschmack der früchte keinen abbruch tut. Daß die tomatenkerne für die weiterzucht ungeeignet sind, dürfte die wenigsten balkongärtner stören, weil das saatgut in mengen verkauft wird, daß es über etliche jahre reicht.

Was frau Wiener mit ihrem text eigentlich sagen wollte, weiß womöglich nicht einmal sie selbst. Was dieser schmarrn in einer wissenschaftskulumne zu suchen hat, müßte man wahrscheinlich beim Deutschlandfunk Kultur erfragen.

6 Kommentare:

  1. Wie viel in deiner Kritik stammt aus dem Frust, dass die öffentlich-rechtliche Anstalt Infotainment macht, statt Aufklärung? Die Aufklärung, soweit sie nötig ist, findet längst außerhalb des Öffentlich-Rechtlichen statt. Du bist ein Teil davon. Also poste (auch) über Tomaten und rege dich bitte nicht über Sarah Wiener auf, die ich gerne gucke, weil ich außer Infotainment von ihr nichts erwarte.
    Gruß Wal

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    1. Von »frust« über den öffentlich-rechtlichen rundfunk kann an sich keine rede sein. Ich wundere mich nur seit geraumer zeit über diese sendung (ich weiß nicht ob frau Wiener im fernsehen unterhaltsamer ist, ich kenne ihre sendung nicht). Frau Wiener ist ein gutes schlechtes beispiel, wie man an themen herangehen kann - oder eben besser nicht. Infotainment bedeutet aus meiner sicht, daß etwas unterhaltsam ist und man nebenher über irgendwas informiert wird.

      In diesem falle tomaten, die »wir« fast nur noch als rote wasserkugel kennen - sie will erklären, warum. Und scheitert schon am thema. Junge erwachsene verstehen mutmaßlich nicht mehr wirklich, wovon sie redet, weil sich die situation geändert hat, denn die »Holländische rote wasserkugel«, die um 1990 modern war, ist heute weitgehend aus den geschaften verschwunden, weil sie trotz vieler guter eigenschaften, wie lagerfähigkeit und hohem ertrag, leider nicht übermäßig gut ankam. Heute war ich einkaufen - es gab zwar im supermarkt nicht die 3.983 tomatensorten, die in der EU zugelassen sind und leider auch keine wirklichen gourmet-liebhabersorten für spezialisten aber doch immerhin die auswahl zwischen achtzehn unterschiedlichen sorten, die man fast alle essen kann. Und das ist beileibe mehr als »nur rote wasserkugeln«.

      Wenns blödsinn ist, ist’s halt blödsinn.

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  2. Frau Wiener ist (für diese Sendung) Köchin und keine (Kapitalismus)Kritikerin. Ich denke, alles "Infotainment" ist Blödsinn. Schau doch mal, was aus dem "Nachrichtenmagazin Spiegel" geworden ist: eine Kopie von RTL-Mittagsmagazin - Bento, Bento, Bento.
    Wir leben in einer furchtbaren Welt. Trotzdem präsentieren diese Leute unsere Welt "nett und unterhaltsam".
    Infotainment wirkt wie eine Droge.

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    1. Frau Wiener ist für mich in erster linie eine geschäftsfrau, die für ihren fraß werbung machen will. Die Berliner arbeitslosen greifen in ihrem restaurant bei den schweineschmalzstullen zu 6€ sicherlich gerne zu. Die hat halt schon so etwas wie eine »kapitalismuskritik«: die leut sind halt zu geizig, ihren überteuerten, weil ineffizient produzierten fraß zu kaufen. Das ist meist weder informativ noch übermäßig unterhaltsam.

      Pollmer hingegen macht infotainment wie es sein sollte: er ist überhaupt nicht nett zu irgendwem, sondern er erzählt auf unterhaltsame art etwas über wissenschaftliche fakten.

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  3. Ach der Pollmer, ein Konvertit, der durch das Bürsten gegen den Strich heutzutage Aufmerksamkeit sucht. 90 % seiner Behauptungen sind einfach bullshit. In seinem Buch "Iss und stirb" war er 1982 noch einer von "uns" kritischen Essern.

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    1. Man muß nicht gut finden, was Pollmer sagt. Aber es sind durchaus dinge über die man nachdenken sollte

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