Donnerstag, 5. Oktober 2017

Wo Harald Lesch irrt

An sich schaue ich mir die sendungen mit Harald Lesch recht gern an, weil er es immer wieder schafft, auch komplizierte dinge verständlich und sogar unterhaltsam zu erklären. Auch betreibt er gemeinsam mit anderen wissenschaftlern die interessante internetseite »urkall, weltall und das leben.«

Allerdings scheint er in bezug auf das BGE einem irrtum aufzusitzen:



Den für das thema wichtigen text aus dem video habe ich mitgeschrieben.
Harald Lesch: »Wir leben in einer zeit, in der die ökonomie immer mehr und mehr unsichere arbeitsverhältnisse produziert. Diese unsicheren arbeitsverhältnisse führen zu unsicheren leben, zu unsicheren perspektiven, zu unsicheren beziehungen, zu unsicheren menschen. Es gibt nichts besseres als sicherheit für einen menschen, wenn er weiß, ich kann in die zukunft vertrauen.

Vertrauen - und da muß man die Deutsche Bank zitieren - ist der anfang von allem.
Und je mehr mißtrauen gesäht wird und je mehr mißtrauenskontrolle der fall ist, desto mißtrauischer werden die menschen, nicht nur den anderen gegenüber, sondern auch sich selber gegenüber. Das heißt, das ist eine zerstörung von selbstbewußtsein, die da stattfindet.

Und man könnte durch ein bedingungsloses grundeinkommen zunächst einmal dafür sorgen, daß ein erheblicher teil von diesem erosionsprozeß, den ich an allen ecken und enden beobachte, vor allen dingen auch in den wissenschaften beobachte, könnte man stoppen. Ob das ein soziales allheilmittel ist, das wage ich nicht zu sagen.

Ich weiß nur, daß menschen, wenn sie diesen punkt erreicht haben, daß sie wissen, okay, ich muß mich in den nächsten sechs monaten, in den nächsten drei jahren nicht um eine neue stelle kümmern, ich kann endlich mich mal entfalten.

Es gibt die eine variante, daß die leute faul werden. Ich glaube aber nicht an die. Das ist, was ich in meinem direkten, professionellen umfeld überhaupt nicht beobachte, daß diejenigen die eine dauerstelle haben sich da in die hängematte begeben. Das kann ja sein, das müssen wir dann aushalten.

Das andere aber ist, daß ein erheblicher teil namentlich der jüngeren bevölkerung mit einem ganz anderen gefühl in ihr leben starten würde, statt immer nur zu gucken, mensch, wo kriege ich die nächste mark her und immer an der kante der existenz herumkratzen zu müssen. Das halte ich, gerade, wenn es um so wissenschaftliche stellen geht, halte ich das für einen skandal. Das in einem land wie Deutschland, in den geisteswissenschaften ist es ganz besonders schlimm, unsere studentinnen und studenten von einem dreimonatsvertrag zum nächsten gehandelt werden. [...] Es kann nicht sein, es handelt sich dabei ja nicht um zwangsmaßnahmen, daß es wirklich nötig wäre, aber wir haben es uns so angewöhnt, daß alle bereiche voll durchökonomisiert werden und durch diese durchökonomisierung erzeugen wir selbst da, wo es eigenlich gar keinen wettbewerb geben dürfte, erzeugen wir wettbewerb.

Wettbewerbsdruck an universitäten ist völliger schwachsinn. Die universitäten sind per definition einrichtungen auf der suche nach wahrheit. Die suche nach wahrheit ist keine bundesligasaison. [...] Das allerletzte, das wir brauchen können ist wettbewerb. Wenn man sich das heute anschaut, mit diesen ganzen exzellenzinitiativen etc., wie die gegeneinander konkurrieren. Die kolleginnen und kollegen reden nicht einmal mehr miteinander, weil sie wissen, mensch, wenn ich dem das jetzt sage, dann schreibt der das in seinen antrag mit rein [...] was für ein schwachsinn! [...] Und ständig müssen die leute überwacht werden. Manchmal denke ich, ich bin bei der NSA [...], vertrauen ist eine wichtige sache. [...] Das ist auch eine frage der sprache, die wir benutzen. Das bedingungslose grundeinkommen könnte ein interessanter versuch werden. Warum nicht?«
Er sagt sehr viel richtiges. Allerdings zieht er den falschen schluß, daß man mit einem BGE so etwas wie sicherheit für die leute schaffen könnte. Und seine frage »warum nicht?« kann man mit »weil dieser schuß nach hinten losgehen würde« beantworten.

Es gibt noch ganz andere, die auch gern ein BGE einführen möchten, wenngleich auch aus weniger menschenfreundlichen gründen. So sagte Frauke Petry, damals noch AfD, wenige tage vor der bundestagswahl im interview mit der Leipziger Volkszeitung:
Frauke Petry: »Wir brauchen einen starken Staat, wenn es um die Sicherheit und die Bürgerrechte geht – ansonsten hat sich der Staat aus dem Leben der Menschen herauszuhalten, das betrifft insbesondere auch die Wirtschaft. Wir müssen zur freien Marktwirtschaft zurückkehren.«

LVZ: »Das bedeutet, die AfD würde nicht mehr umverteilen?«

Frauke Petry: »Wir halten zumindest die jetzt praktizierte Umverteilung schädlich für den Staat und die Bürger. An die Stelle unseres inzwischen unüberschaubaren Sozialsystems sollte eine aktivierende Grundsicherung treten, die jedem zusteht – die aber nicht auskömmlich sein darf. Jeder könnte sich dann je nach Bedarf etwas dazuverdienen. Der durch Hartz IV verloren gegangene Anreiz, selbst zu arbeiten, muss wiederhergestellt werden. Und insgesamt muss der Staat seine Ausgaben überprüfen: Beim bürokratischen Aufwand, im Steuersystem, auch bei den Familienleistungen. Außerdem sollte jedem klar sein, dass die sozialen Sicherungssysteme den Zuzug nicht verkraften werden – mit den Flüchtlingen steigt ja nicht automatisch die Zahl der Einzahler. Im Gegenteil, nur die Auszahlungen wachsen.«

LVZ: »Das klingt nach bedingungslosem Grundeinkommen.«

Frauke Petry: »Es geht in diese Richtung. Der entscheidende Unterschied ist, dass wir der Meinung sind, dass allein die staatliche Unterstützung nicht das Leben finanzieren darf. Die Allermeisten, die momentan Hartz IV erhalten, könnten arbeiten, werden aber durch die geltenden Sozialsysteme davon abgehalten. Über eine Höhe der Grundsicherung kann ich noch nichts sagen, aber es könnten geschätzt 600 bis 800 Euro pro Erwachsener sein, bei Kindern anteilig.«
Leider ist das, was Frauke Petry zum BGE sagt erheblich näher an der realität als die wohlmeinden gedanken des herrn Lesch zu dem thema.

Leider muß man tatsächlich davon ausgehen, daß ein BGE, das zum leben ausreichen würde, unserem wirtschaftssystem widerspräche. Es wäre unsinn, die menschen erst gegeneinander konkurrieren zu lassen, um am ende den konkurrenzverlieren einen auskömmlichen anteil zu schenken, also würde es so niedrig sein, daß man davon nicht leben kann. Die folge wäre, daß der beklagte konkurrenzdruck noch härter werden würde und die konkurrenzverlierer endgültig unter die räder geraten würden, es gäbe dann kein soziales netz mehr, das diese leute noch auffangen könnte.

Ein BGE zu fordern bedeutet, die entsolidarisierung der gesellschaft mit weiterer entsolidarisierung bekämpfen zu wollen.

6 Kommentare:

  1. Herr Lesch ist doch Wissenschaftler im Bereich Astronomie Astrophysik. Er weiß also wie man Beobachtungen macht, Experimente plant, Messungen durchführt, seine Schlüsse zieht, Theorien aufstellt, bestätigt, widerlegt etc.

    Warum kriegt der das im täglichen Leben nicht geschissen?
    Er beobachtete die Realität und hat ein Urteil gefällt. Den Grund lässt er aus und geht über zu einer Arbeitshypothese - die WElt wie er sie gern hätte.
    Nach dem Prinzip wählen die einen CDU und andere SPD, Grüne, Linke, Afd oder NPD.
    Meine Vorstellung soll gelten und Person X hat mir versprochen, dass er es umsetzen wird.

    Warum ist der kluge Mann so doof?
    (Aber was ist schon das Kluge, wenn nicht das Richtige aus der Perspektive des Dummen.)

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    1. Nein. Da muß ich Dir widersprechen. Harald Lesch ist im grunde überhaupt nicht doof. Das problem ist, daß er sich als guter Deutscher professor leider nicht über das wirtschaftssystem hinausdenken mag. Schließlich wäre alles prima, wenn nur nicht die paar »kleinen probleme« wären, die er anspricht. Ist schön, daß er die probleme immerhin bemerkt, das tun sicherlich auch nicht alle, die irgendwo im wissenschaftsbetrieb sind. Die lösungsansätze allerdings sind unschlau, denn durch ein BGE werden die probleme unserer wirtschaft nicht gelöst, sondern sie werden vergrößert.

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  2. Harald Lesch finde ich genial wenn Er seine Schlüsse aus den Themen Ueberbevölkerung/Geburtenüberschuss/Entwicklungshilfe zieht.Ansonsten sind seine Meinungen meiner Ansicht nach nicht Nahe an der Realität

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    1. Und dann gibt es noch leute, die sind so nahe an der realität, daß sie, egal um welches thema es gerade geht, immer nur über geburtenüberschuß etc. reden.

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    2. Harald Lesch und Al Gore sind bei diesen Themen der selben Meinung.Dem sagt man der Realität ins Auge schauen.

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    3. Beim thema bedingungsloses grundeinkommen? Um das ging es hier nämlich.

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