Mittwoch, 19. Juni 2019

Falafel, burger, klopse, bekloppte

Zur abwechslung mal wieder das leidige thema, wie man vegetarische bzw. vegane fleischersatzprodukte vernünftig benennen könnte.
»Er riecht wie Fleisch, schmeckt wie Fleisch und sieht auch ein bisschen so aus. Doch der Beyond-Meat-Burger besteht hauptsächlich aus Wasser, Erbsenproteinen und Pflanzenölen. Obwohl es ihn erst seit Kurzem in Deutschland zu kaufen gibt, wird er gehypt wie kaum ein Lebensmittel. Aber wäre das Interesse auch so riesig, wenn er nicht Burger heißen würde, sondern "Erbsen-Öl-Bratling"? Sicher nicht. Burger, das klingt verheißungsvoll, das gönnt man sich. Bratling klingt nach Reformhaus. Wenn das Ziel ist, dass weltweit weniger Fleisch gegessen wird, sollte dieses Ding auch Burger heißen dürfen.«
Wer essen erwerben möchte, das irgendwie etwas mit »lecker« zu tun hat, kauft ohnehin nichts, wo »burger« auf der verpackung steht. »Orange« vom Handelsblatt hat den Beyond Burger getestet und für weder gesund noch nachhaltig befunden. In dem artikel findet man auch eine zutatenliste. Im Deutschen benennt man derartige dinger als »bratling«. Dieses lustbetonte wort entstammt der reaktionären lebensreformbewegung, die die pioniere des vegetarismus in Deutschland waren und die nicht unbedingt als freunde eines ausschweifenden lebens bekannt waren.

Vielleicht sind die orientalen in der begriffsfindung ein bißchen schlauer: bei denen heißen die klopse mit fleisch »köfte« und die ohne fleisch »falafel« (gab am 18. juni 2019 zu ehren ehren des falafel sogar ein googledoodle). Falafel sind nichts anderes als »kichererbsbratlinge«, nur schmecken sie eben besser. Wahrscheinlich, weil sie nicht aus einer ideologie herraus entstanden sind, sondern mutmaßlich von menschen erfunden wurden, die eben gerade keinen verzicht üben wollten, aber leider nichts besseres hatten. Wenn man mal kein fleisch essen mag, findet man häufig in der traditionellen küche christlicher länder gute hinweise, wie man mit einfachen mitteln etwas leckeres kochen kann, denn durch die fastenzeiten waren die leute dort teilzeitvegetarier.

In der Süddeutschen Zeitung hingegen wird beklagt, daß
»[...]"vegane Leberwurst" künftig in so etwas wie "vegane Sojastreichwurst nach Art einer Leberwurst" umbenannt werden [...]«
müsse. Und sowas sei doch absurd.

Nicht minder absurd mutet es an, wenn folgende zubereitungen eines namhaften herstellers beide als »leberwurst« durchgehen sollen. Erstmal die nichtvegetarische variante:
»Schweinefleisch (40%), Schweineleber (30%), Speck, Zwiebeln (9%), Äpfel (6%), Kochsalz, Gewürze, Gewürzextrakte, Glucosesirup, Emulgator: Lecithine, Zucker, Antioxidationsmittel: Ascorbinsäure, Konservierungsstoff: Natriumnitrit, Rauch.«
Und dann die vegane variante:
»Trinkwasser, Rapsöl, Erbsenproteinisolat (5%), Ballaststoffe: alpha-Dextrin, Inulin; Schnittlauch (3%), Stärke, Kochsalz, natürliches Aroma, Gewürze, Erbsenfasern, Verdickungsmittel: Methylcellulose, Zucker, Emulgator: Lecithine, Karamell, Farbstoff: Eisenoxid.«
Sie enthalten beide kochsalz, gewürze, zucker und als emulgator lecithine. Und das soll gemeinsamkeit genug sein, um beide als »leberwurst« durchgehen zu lassen? Womöglich bin ich ein bißchen arg konservativ, aber ich bin durchaus der auffassung, daß in leberwurst zumindest leber enthalten sein sollte. Wasser und maschinenöl als hauptzutaten sind doch ein bißchen dürftig. Aber immerhin ist auch noch die sonderwohltat methylcellulose mit drin. Nein, gegen methylcellulose ist wenig einzuwenden. Die kann man gut gebrauchen. Wenn man tapeten an die wand kleben möchte, beispielsweise.
»Zurecht kritisieren nun der Vegetarier- und Veganerverband ProVeg und 16 Hersteller wie Rügenwalder Mühle und Dennree die Leitsätze. Sie sind zwar nicht rechtsverbindlich, ein EU-Gesetz wäre es jedoch schon und der Vorstoß der Parlamentarier im April war zumindest ein erster Schritt in diese Richtung.«
Daß ausgerechnet Rügenwalder Mühle meine auffassung nicht teilt, wundert mich nicht. Ist deren geschäftsziel, billiges zeug möglichst teuer als hippes livestyleprodukt zu vermarkten.

Gegen vegetarischen/veganen brotaufstrich ist im grunde nichts einzuwenden, es gibt durchaus genießbares aus vergleichsweise hochwertigen zutaten, der für nichtvegetarier interessant ist, weil er eben kein fleischimitat ist, sondern einfach etwas anderes ist und nach pilzen, gemüse oder kräutern schmeckt.
»Die fleischlichen Assoziationen im Namen könnten damit sogar dazu beitragen, dass Nicht-Vegetarier öfter zu fleischlosen Alternativen greifen.«
Bei mir zumindest nicht. Es ist betrug, irgendwelches zusammengepanschtes zeug als »leberwurst« oder »schnitzel« zu verkaufen, um dem minderwertigen den anstrich zu geben, es sei etwas höherwertiges. Es kann im grunde nicht im interesse von vegetariern sein, daß die lebensmittelindustrie zusammengepanschtes zeug teuer vermarkten kann, weil sie die namen bereits bekannter produkte verwendet. Im interesse von vegetariern wäre es, wenn diese produkte entsprechend ihrer zutaten günstiger angeboten würden, völlig unabhängig davon, wie man das dann nennt.
»Wenn mehr Fleischesser auf Veggie-Schnitzel umstiegen, wäre das ein Schritt, den enorm wachsenden Fleischkonsum einzudämmen, der Klima und Gesundheit schadet. Den Fleischessern gelüstet es ja nicht danach, dass Tiere sterben - sie wollen den Geschmack von Fleisch. Ob der bei Soja-Hack, Saitan-Salami und Beyond-Meat-Burgern genauso gut ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fleischesser zu einem vegetarischen Schnitzel greift, dürfte sehr viel höher sein, wenn auch Schnitzel draufsteht - und nicht Bratling.«
Klar, Beyond Meat aus Amiland heranzukarren ist klimafreundlicher als einfach einen Brandenburger weidebullen zu verspeisen. Als allesfresser benötigt man kein schnitzel aus seitan. Wenn einem danach der sinn steht, kann man ein richtiges essen.

Beim grillen brauchts keine fleischersatzwürste aus soja, wenn mal weniger fleisch auf den grill soll. Stattdessen benötigt man eher ein bißchen fantasie. Man kann beispielsweise auch vegetarisch gefüllte spitzpaprika oder pilzspießchen grillen. Das mit dem fleischersatzzeug ist die conveniencementalität, daß man eben frißt, was einem die industrie vorsetzt.

Damit wird man das plastmüllproblem und den klimawandel ganz bestimmt in den griff kriegen.

7 Kommentare:

  1. Welch ein Schwachsinn mit der Deklarierung. Bei meinem Bäcker und auch anderswo gibt es Ochsenaugen und Schweineohren.

    Immer mehr verpackte Lebensmittel haben eine Zutatenliste, die sich liest, wie ein Medikamentenbeipackzettel.

    Tipp: Vegetarisches Schmalz mit Zwiebeln und Apfelstückchen. Gibt's in jede Revolutions- ..äh.... Reformhaus.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Holstener Liesel kenne ich natürlich - ist nicht schlecht, nur vom geschmack her hat es mit schmalz eher nichts zu tun.

      Löschen
  2. @ altautonomer,

    ich kenne das noch unter dem Namen "Holsteiner Liesel", als wir noch in Deutschland gelebt haben.

    Nur Fertigprodukte kaufen wir ohnehin nicht mehr. Ich empfinde sie oft viel zu fettlastig. Ansonsten heisst es bei uns "Selbst ist die Frau". Und die macht das unwahrscheinlich gut!



    AntwortenLöschen
  3. OMG. Beipackzettel, Zutatenanzeige. Früher stands halt als E drauf (jedes Lebensmittel und Unlebensmittel hat eine E Bezeichnung), heute eher Klartext. Nicht zu vergessen, dass im Falle der Kaufabschreckung auch anderes deklariert werden darf.

    zb Orangensaft mit Fruchtfleisch..
    Die Stücken sind Baumwolle, da O-Fruchtreste zu bitter werden und den Verkauf bremsen. Stehts drauf? ne.
    Oder Pfirsichprodukte (widerlich, fehlen nur nich Haare).

    Andererseits steht ja auf Wurst auch nicht drauf, was denn da so alles drin ist.

    Interessant allerdings, wenn man das gleiche Produkt in unterschiedlichen Ländern (ausserhalb EU) betrachtet und die Unterschiede der Zutatenliste erkennt.

    Letztendlich ist nur Reis wirklich Reis.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Auf wurst steht genauso drauf, was drin ist, wer den text gelesen hat, weiß beispielsweise, was in der leberwurst eines bekannten herstellers ist. Das mit der baumwolle im orangensaft glaube ich nicht.

      Und schlußendlich ist auch reis oftmals nicht bloß reis, man bekommt kostenlos auch noch arsen dazu, so daß häufiger verzehr zum problem werden kann.

      Löschen
  4. Möglicherweise hat man als Werkstudent, zumindest als männlicher, in den siebziger Jahren Erfahrungen gesammelt, die sich ein Student heute nicht unbedingt mehr zumuten würde.
    Die Coop in Wilhlemshaven hatte eine eigene Fleischververarbeitung. Und was da an Wurstmasse aus den Maschinen herauskam, in Naturdarm oder in Kunstdarm gepresst, hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit irgendetwas was mit Wurst Ähnlichkeit gehabt haben könnte.

    Das war so ein weisslicher Brei, der in Stossintervallen in diese Därme eingespritzt wurde.


    AntwortenLöschen

anmerkungen willkommen, mißbrauch strafbar.