Freitag, 25. Dezember 2009

Weihnachtslied

O Tannenbaum, o Tannebaum -
sechs Zweiglein sind dein Alles.
so klein und dürr - man sieht dich kaum:
du hast in einem Stiefel Raum.
O Tannenbaum, o Tannebaum,
du Sinnbild unsres Dalles!

O Weihnachtsmann, o Weihnachtsmann -
du gehts vorbei ins Weite.
Hast ein zerfetztes Röcklein an,
bringst nichts was Kinder freuen kann.
Oh Weihnachtsmann, o Weihnachtsmann,
auch Dein Geschäft ist pleite.

O stille Nacht, o heilige Nacht -
in ungeheizter Stube!
Das Christkind hat sich fortgemacht.
Es schläft das Recht, die Feme wacht.
O stille Nacht, o heilige Nacht,
o Wulle und o Kube*

O Friedensfest, o Liebesfest -
in Not und Angst Millionen!
Und wer sich’s nicht gefallen läßt,
den setzt die Republike fest.
O Friedensfest, o Liebesfest -
beim Rumfutsch oder Bohnen.

O Weihnachtszeit, o selige Zeit -
es hungern selbst die Flöhe.
Doch ob nach Milch der Säugling schreit,
der Stahlhelmbund steht putschbereit.
O Weihnachtszeit, o selige Zeit -
Hosiana in der höhe!

Erich Mühsam, 1925

*zwei deutschnationale

2 Kommentare:

  1. Hättest Du mal früher was gesagt, daß Du hier Mühsam zitierst, hätte ich mich schon früher hier abonniert :-) Da ich aber eben Kurts Avatar als einzigen Abonennten rumstehen sah, habe ich das jetzt nachgeholt.

    Schönes Neues!

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  2. Danke ebenso.

    Gelegentlich wird hier auch E. Mühsam zitiert - und vergleichbare dichter aus der zeit.

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