O Tannenbaum, o Tannebaum -
sechs Zweiglein sind dein Alles.
so klein und dürr - man sieht dich kaum:
du hast in einem Stiefel Raum.
O Tannenbaum, o Tannebaum,
du Sinnbild unsres Dalles!
O Weihnachtsmann, o Weihnachtsmann -
du gehts vorbei ins Weite.
Hast ein zerfetztes Röcklein an,
bringst nichts was Kinder freuen kann.
Oh Weihnachtsmann, o Weihnachtsmann,
auch Dein Geschäft ist pleite.
O stille Nacht, o heilige Nacht -
in ungeheizter Stube!
Das Christkind hat sich fortgemacht.
Es schläft das Recht, die Feme wacht.
O stille Nacht, o heilige Nacht,
o Wulle und o Kube*
O Friedensfest, o Liebesfest -
in Not und Angst Millionen!
Und wer sich’s nicht gefallen läßt,
den setzt die Republike fest.
O Friedensfest, o Liebesfest -
beim Rumfutsch oder Bohnen.
O Weihnachtszeit, o selige Zeit -
es hungern selbst die Flöhe.
Doch ob nach Milch der Säugling schreit,
der Stahlhelmbund steht putschbereit.
O Weihnachtszeit, o selige Zeit -
Hosiana in der höhe!
Erich Mühsam, 1925
*zwei deutschnationale
»Wovon man nicht schweigen kann, darüber muß man reden.
Das ist meine meinung. Aber nicht die Wittgensteins.« (Mechthild Mühlstein)
- willkommen in der schlangengrube - (nachtrag ostern 2021)
Freitag, 25. Dezember 2009
Weihnachtslied
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Hättest Du mal früher was gesagt, daß Du hier Mühsam zitierst, hätte ich mich schon früher hier abonniert :-) Da ich aber eben Kurts Avatar als einzigen Abonennten rumstehen sah, habe ich das jetzt nachgeholt.
AntwortenLöschenSchönes Neues!
Danke ebenso.
AntwortenLöschenGelegentlich wird hier auch E. Mühsam zitiert - und vergleichbare dichter aus der zeit.