Einen echten »astheimer*« lieferte die FAZ anfang des monats: In der pflegebranche werden händeringend helfer gesucht, doch nur »normale« arbeitslose besaßen die frechheit, sich zu bewerben.
Da fängt der laie an zu staunen:
Es gibt arbeit, die getan werden muß.
Menschen bewerben sich und sind für die arbeit nicht zu gebrauchen. Nicht, weil sie unqualifiziert wären. Sie sind in der falschen form arbeitslos.
In der FAZ wird nicht hinterfragt, was denn an h4empfängern nun so attraktiv wäre. Stattdessen läßt man Ulrich Marseille zu wort kommen, daß angeblich kein einziger h4empfänger in die pflege vermittelt worden sei - der autorin des artikels fällt nicht einmal auf, daß herr Marseille vorstandsvorsitzender der Marseille AG ist.
Das ist keine gemeinnützige einrichtung, sondern kommerzielle abladestation für alte, kranke, demente, die sich pflege leisten können.
Altenpflege ist eine gesellschaftlich wichtige arbeit, die auch hilfskräfte in hohem maß psychisch belastet: wer hier arbeitet hat keine »pflegeerfolge«, niemand geht am ende frohen mutes und gesund aus dem altersheim raus, alle werden dort mit einem schwarzen wagen abgeholt, das gehört auch zum leben. Hier sollen, um den privaten profit zu steigern, auf staatskosten billigstlöhne etabliert werden.
Über den allerwertesten herrn Ulrich Marseille sei angemerkt, daß er 2002 spitzenkanditat der »Schill-Partei« in Sachsen Anhalt gewesen war und in den 1980er jahren versucht hatte durch betrug an ein jura-staatsexamen zu kommen (quelle: manager magazin) .
Außerdem wurde dieser saubere klinikbetreiber im vergangenen august zu einer bewährungsstrafe von einem jahr verurteilt, mit der auflage sechs millionen euro an die staatskasse zu zahlen.
Schon klar, daß herr Marseille dringend geld braucht. Das soll er aber nicht aus der staatskasse erhalten, in die er einzahlen muß!
Wenn herr Marseille, wie er der FAZ sagte (mindestens) 500 h4empfänger einstellen würde, um sie zwei jahre lang bei 400 € monatlich zu beschäftigen und dann (vielleicht) zu übernehmen, würde das den staat, wenn alle durchschnittliche alleinstehende wären, 5,4 millionen kosten. Weil viele menschen nun einmal familie haben, würde dieses beschäftigungsmodel über 6 millionen kosten.
Ein schelm, wem jetzt etwas auffällt!
*Um nicht zu sehr in die vulgärsprache zu geraten, habe ich mich dazu durchgerungen »astheimer« als synonym für »a…, wilde« zu verwenden bzw. um »besondere« jounalistische leistungen der bürgerlichen medien speziell zu würdigen.
Liebe Mechthild,
AntwortenLöschenEinfach empörend, skandalös! Made in Germany (sprich nicht Mäde sondern Made). Wo bleibt da der DGB als "Interessenvertreter der 'Arbeitnehmer'"? Muß es erst wieder einen deutschen Herbst geben um die Leutchen wach zu schütteln?
Trotz alledem, ganz liebe Grüße,
deine Freundin Nadja
in meine flämische Sommerfrische
Blogspot macht wieder Mätzchen. Zähler bleibt auf "0" stecken nach Zuschrift :( Nicht nur bei Dir, hoffentlich fixen die das mal bald...
AntwortenLöschenGLG
Nadja
Im gut geschmierten Kapitalismus gibt es keine Vertreter von Arbeitnehmerinteressen. Wie auch - ein wirklicher Vertreter der Arbeitnehmer würde dafür sorgen, dass sich niemand mehr um Lohnarbeit bei irgendwelchen Arbeit"gebern" verdingen muss. Arbeit ist ohnehin genug vorhanden, siehe Alten- und Krankenpflege, Kinderbetreuung, Hausarbeit. Nur gibt es hier einen Konsens, dass diese Arbeit nicht "produktiv" sei und daher kaum oder nicht bezahlt werden muss. Warum eigentlich? Weil das Kapital hier nichts holen kann. Also bürdet man diese Arbeiten denen auf, die auch sonst nichts zu melden haben (Frauen, Arbeitslose). Helfen würde die Aufheben der total verrückten Arbeits"teilung" in "produktive" Arbeit (mit der man einen Gewinn machen kann, und die folglich auch irgendwie bezahlt werden muss) und "reproduktive" Arbeit, die irgendwie auch getan werden muss, damit der Laden läuft (Kinder kriegen und aufziehen, Kranke pflegen, sich um Alte kümmern, den Müll wegräumen usw.), an der sich das Kapital aber nicht erquicken kann und die deshalb nicht bezahlt wird. Das klappt aber nicht mit der Forderung nach einem sozialeren Kapitalismus (mit Sozialstaat dem DGB und allem was dazugehört), sondern nur mit einem radikalen Systemwechsel. Den immensen Kosten, die ja immer ins Feld geführt werden, wenn es heißt, dass "wir" "uns" den netten Sozialstaat einfach nicht (mehr) leisten können, kann man ganz einfach entgehen, in dem man keine Kostenrechnung mehr macht. Sondern einfach das tut, was die Leute brauchen, um ein schönes Leben zu haben. Klar ginge das.
AntwortenLöschenLiebe Nadja,
AntwortenLöschenin Deutschland ist das system ziemlich madig. Der DGB ist, wie hier schon richtig angemerkt wurde, keine arbeitnehmervertretung. Ich betrachte den DGB an sich eher als eine art »notbremse«, die nur leider nicht für alle funktioniert. Die gewerkschaften können prima arbeitsbedingungen und tarife aushandeln, die möglichkeiten selbige zu umgehen sind noch besser. Das liegt daran, daß in Deutschland (40 Jahre DDR ausgenommen) die feudalen grundstrukturen der gesellschaft nie aufgelöst wurden, sie wurden nicht einmal in frage gestellt.
Ulrich Marseille ist ein prima beispiel dafür: wer als h4empfänger menschen betreuen soll, muß ein polizeiliches führungszeugnis vorlegen, ist dies nicht »blütenrein«, darf eine derartige tätigkeit im normalfall nicht ausgeübt werden. Ist man in einer führungsposition tut das der karriere offensichtlich keinen abbruch, man darf sogar in der FAZ rumblöken.
Es braucht mehr als einen »Deutschen Herbst« um die menschen wachzurütteln. Damals sind die leute nicht aufgeweckt worden, sie fielen vor angst in lethargie.
Liebe Grüße
Mechthild
@ anonym
AntwortenLöschenselbstverständlich könnten »wir« auf die kostenrechnung verzichten, es würden dabei sogar menschen, die rechnen können, freigesetzt (in diesem falle ja dann eben wirklich »frei«), die sich dann mit gesellschaftlich wertvolleren aufgaben befassen könnten.
Das hauptproblem ist, daß viele einfach nicht darauf verzichten wollen, eine unnütze obrigkeit, die unverschämte forderungen stellt, durchzufüttern. Die leute identifizieren sich eher mit Gutti oder mit frau von der Leiharbeit, als daß sie sich eingestehen, daß sie vom einkommen her näher am h4empfänger von nebenan sind.
Daß das kapital aus den »unproduktiven« arbeiten nichts holen könnte, stimmt doch gar nicht! Firmen wie die Marseille-Kliniken-AG gibt es doch nur, weil man eben auch aus der pflege von menschen einen gewinn rausprügeln kann - daß das nur funktioniert, weil »unser« sozialstaat ordentlich geld dafür ausgibt, ist eine andere sache.
Wer der meinung ist, eine reinigungskraft leiste keine »produktive« arbeit und »verdiene« deshalb nicht so viel wie ein hirnchirurg, ein ingenieur oder ein facharbeiter, dem empfehle ich, einfach mal acht wochen das klo nicht zu putzen (putzen zu lassen). Selbst der laie merkt den unterschied sofort. Die unterteilung in »gute«, weil produktive und »schlechte«, weil angeblich »unproduktive« oder »reproduktive« arbeit, ist eine lebenslüge des kapitalismus.
eine bekannte von mir wurde in einem altenheim als pflegekraft schamlos und unverschämt ausgenutzt.
AntwortenLöschen"den schweinen wird alles schwein". ich meine diese art von arbeit"gebern"
@ Klaus
AntwortenLöschenim grunde hat inzwischen (fast) jeder bekannte, die unverschämt ausgenutzt werden. Nur sagt eben nicht jeder: »ich habe eine neue stelle und ich werde unter aller sau bezahlt!«
Die meisten leute freuen sich, daß sie durch ihre beschäftigung im altenheim, im museum oder sonstwo vortäuschen können, sie wären »normale« beschäftigte. Man kann so tun, als gehöre man dazu. Die leute machen ihre arbeit und schweigen vertragsgemäß über ihre bezahlung.