Freitag, 26. September 2014

Die mär vom glück des einfachen lebens

Über das leben in der natur schrieb die ZEIT kürzlich »eine Deutsche familie unter einem dach aus filz.« Unwilkürlich dachte ich an so clans wie die Quandts oder dergleichen.

Das war allerdings nicht gemeint, sondern eine familie, die in einer jurte lebt, die nach mongolischer art gebaut ist und aus filz besteht. Wie man aus den bildern in der pressemappe (PDF)entnehmen kann, leben die nicht unbedingt nomadisch irgendwo in der steppe, sondern sitzen auf einem stück land, wo sie grünzeug anbauen, im hintergrund sieht man auf manchen bildern einen zaun. Offenbar haben die in ihrer bescheidenheit etwas, das die meisten konsumorientierten plattenbaubewohner nicht besitzen: ein stück erde, von dem sie alle anderen ausschließen dürfen. Die leben offensichtlich nicht einfach irgendwo am wegesrand in ihrer »fliegenden jurte«, wo sie auf gedeih und verderb dem gutdünken der landeigentümer ausgeliefert wären. Wie es aussieht, sitzen die mit ihrem festzelt auf der eigenen scholle.

In Berlin lebten bis vor kurzem auf der Cuvry-Brache 150 menschen in selbstgezimmerten hütten, die ganz gewiß nicht so schick waren wie eine jurte aus selbstgefilzter wolle.

Die bewohner hatten ihre behausungen aus gefundenen abfällen gebaut. Vor einigen tagen mußten alle das gelände verlassen, weil einige dieser hütten in brand geraten waren. Das gelände ist nun abgesperrt und sie dürfen nicht wieder da hin, auch wenn sie als ihr »zu hause« empfanden. Das land gehört nun mal nicht ihnen sondern einem investor, der damit besseres vorhat, als ein paar gestrandeten figuren einen ort zum bleiben zu spenden.

An stelle der elendsbehausungen werden edelbehausungen entstehen. Zum geldverdienen. Für das »einfache leben in der natur« muß man erstmal ein stück land haben, auf dem man das darf. Es ist kaum etwas dagegen einzuwenden, wenn leute etwas anderes machen, als auf die hierzulande übliche methode ihren lebensunterhalt zusammenzubringen.

Daß man jedoch aus der kapitalistisch organisierten welt, die vom privateigentum bestimmt wird, aussteigen könnte, bleibt eine illusion. Den luxus, in der kapitalistischen industriegesellschaft dermaßen ineffizient seinen lebensunterhalt zu bestreiten, muß man sich leisten können.

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